Tracking Gas-Knappheit in Europa: die Story läuft an - Gaspreis in der EU zieht auf die Marke von über 1.700 USD pro 1.000 Qm!
Liebe Leser,
vor rund einem Monat haben wir den Trend rund um die europäische Gas-Knappheit bereits ausführlich diskutiert. Das Ergebnis der Untersuchung, war im Großen und Ganzen die Ausweglosigkeit der europäischen Nachfrage, die weiterhin hoch bleiben dürfte und das weiterhin sehr begrenzte Angebot, was letztendlich quasi dazu verurteilt ist, in deutlich höhere Gaspreise zu münden. Genau das können wir nun an den europäischen Gas-Hubs beobachten, wo der Gaspreis schon die Marke von über 1.700 USD pro 1.000 Qm knackte und sehr gute Chancen hat, weiter in die Höhe zu ziehen.
Damit hat der Gaspreis in Europa an das Maximum vom März 2021 angeknüpft. Dieser spekulativer Gaspreisanstieg ist auf gleich mehrere Faktoren zurückzuführen. Einerseits ist es die weiterhin angespannte geopolitische Situation aufgrund des Ukraine-Konflikts. Andererseits wird die Europäische Gasversorgung via russische NorStream1 in der nächsten Woche gestoppt. Beide Pipelines von NordStream werden vom 11. Juli bis zum 21. Juli wegen geplanter Reparaturen abgeschaltet. Deutschland befürchtet, dass Russland diesen Stopp ausnutzen könnte, um die Gaslieferungen nach Deutschland/Europa vollständig einzustellen, so zumindest einige Newspapers wie FT.
Dazu kommt die Sorge um Sicherheit der Ersatzlieferungen aus Norwegen, denn hier droht ein Streik der Öl- und Gas-Arbeiter das ohnehin knappe Angebot zusätzlich zu verringern und das in der Zeit kurz vor dem Anfang eines neuen Herbst/Winter-Heizsaisons. Was explizit die Gas-Versorgung aus Norwegen angeht, so könnte sie sich demnächst um rund 292.000 Barrel Öläquivalent pro Tag verringern. Dies sind rund 13 % der gesamten norwegischen Gasexporten.
Die Ölproduktion könnte um 130.000 Barrel pro Tag sinken. Die zuständige Gewerkschaft hat für Dienstag mit einem Streik gedroht, falls die Arbeitgeberseite nicht auf ihre Gehaltsforderungen eingehe. Bestreikt wird zunächst nur ein Feld. Die Ausweitung auf drei weitere ist jedoch nicht ausgeschlossen, da die dafür verantwortliche Gewerkschaft rund 15 % der Offshore-Erdölmitarbeiter des Landes vertritt. Die EU importiert bisher rund 20 % ihres Gases aus Norwegen und daher ist der in die höhe schnellende Gaspreis in der EU kein großes Wunder.
Stocks to watch:
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Nicht zu vergessen ist auch, dass es vor dem Hintergrund eines globalen geopolitischen Spiels zwischen den USA und Russland passiert, wobei nun der Europäische Gas-Markt neugeordnet und umverteilt wird. Genau aus diesem Grund erhöht der russische Präsident Wladimir Putin Schritt für Schritt den Druck auf die Europäische Union. Sein Druckmittel könne eben das russische Erdgas sein, womit man vor dem Ukraine-Konflikt rund 40 % der europäischen Nachfrage bediente. Seit Juni hat die Russische Föderation ihre Lieferungen nach Europa, explizit via die NordStream1-Pipeline signifikant eingeschränkt. Das haben wir bereits im letzten Update ausführlich besprochen. Und so sind die russischen Lieferungen an die Europäische Union gegenüber dem Vorjahr um mehr als 40 % zurückgegangen.
Die europäischen Gaspreise sind in den letzten drei Wochen um mehr 70 % gestiegen. Der Kreml sagt direkt, dass dies die Folge der westlichen Sanktionen sei, die u.a. die Rückgabe einer Siemens Gas-Turbine (Teil der NordStream 1) verhindern, die zur Reparatur nach Kanada geschickt wurde. Auch das wurde im letzten Update ausführlich erläutert. Und da diese Angelegenheit rein geopolitisch ist, lässt sie sich nicht prognostizieren. Doch, was als nächstes passiert, könnte bestimmen, wie hart der Winter in Europa u.a. für Privathaushalte ausfallen wird.
Und dies ist eine sehr gefährliche gesellschaftliche Situation für Europäische Ländern. Denn hier besteht leider eine ebenfalls plausible Gefahr, dass sowohl Deutschland als auch einige andere EU-Staaten bereits im Oktober mit einer echten physischen Erdgasknappheit konfrontiert werden. Und in so einem Fall wäre eine Radikalisierung der Gesellschaft sehr gut möglich, wobei die Antwort auf die Frage: wem die EU-Bürger letztendlich die Schuld an den steigenden Gaspreisen und den damit verbundenen Nöten geben werden (Putin, oder eigenen Regierungen), sehr ernüchternd ausfallen könnte.
Das Schlimme ist hier leider die Tatsache, dass diese Schwierigkeiten auch in 2023/24 nicht enden werden, wenn Europa seine Entschlossenheit beibehält, sich vom russischen Gas zu abzuwenden. Dabei hat Russische Föderation und explizit Putin noch nicht einmal mit den echten Sanktionen gegen die EU begonnen, was sich im WorstCase, aber auch vor dem Hintergrund der mehr als 10.500 verschiedenen Sanktionen, die gegen die RF in den vergangenen Monaten eingeführt wurden, sehr schnell ändern könnte. Der europäische Plan B (LNG) klingt bis auf Weiteres nur auf dem Papier gut, denn die Entwicklung neuer LNG-Projekte, sowie der Aufbau der dazu benötigten Infrastruktur wie LNG-Terminals an der Deutschen Küste dauert Jahre.
Die langfristigen Verpflichtungen der EU im Bereich der grünen Energie sind zwar langfristig gut und nachhaltig, verkomplizieren jedoch die Situation zusätzlich. Und so kommt es dazu, dass Versorgungsunternehmen bspw. zögern, langfristige (10-20 Jahre) Verträge zu unterzeichnen, was aber von den LNG-Lieferanten zur Deckung ihrer Kapitalaufwendungen verlangt wird. Deutschland geht sogar einen Schritt weiter und schaltet verbliebene Kernkraftwerke ab, die 2020 rund 10 % des gesamten Strombedarfs gedeckt haben. Und bei dieser Angelegenheit gibt es nur wenige Chancen, diese Entscheidung rückgängig zu machen, da die Grünen ein Mitglied der Ampel-Regierung sind und selbstverständlich diese Initiative blockieren werden.
Wie man also unschwer erkennen kann, ist die aktuelle Situation rund um die europäische Gasversorgung sehr kompliziert und lässt sich leider nicht schnell genug lösen, denn in diesem Fall wird man ohne Kompromisse wohl kaum vorankommen. Dabei spielt der Zeitfaktor gerade für die EU eine sehr negative Rolle. Fundamental-technisch betrachtet, wird die Umstellung auf nicht-russisches Gas tatsächlich mehrere Jahre dauern, bis man der Abhängigkeit von russischen Energierohstoffen tatsächlich entkommt. Was hier jedoch passiert ist der Austausch einer russischen Abhängigkeit gegen eine nicht-russische und in diesem Sinne will man wirklich hoffen, dass Ländern, die EU in den kommenden Jahrzehnten mit Öl und Gas beliefern werden, tatsächlich EU-freundlich bleiben und nicht in die Versuchung geraten, aus der neuen Situation maximale Profite, sei es den politisch, oder wirtschaftlich schlagen zu wollen.
So oder so ist die angelaufene wirtschaftliche und geopolitische Umverteilung/Neuordnung des europäischen Energiemarktes eine nachhaltige Sache, die gleich mehrere Jahre dauern würde. Und daher ist diese Situation gerade für die Unternehmen gut, die schon heute gut dafür positioniert sind, um europäische Marktanteile schnell an sich zu reißen. Die einzige Farge die sich hierbei stellt, ist: wie schnell sie es schaffen werden, eigene Gas- und Öl-Produktion zu steigern und, eigene Infrastruktur mit Fokus auf die EU aufzubauen.
Profiteure dieser Entwicklung wären sowohl europäische als auch US-Amerikanische LNG-Stocks wie Cheniere Energy (LNG), oder Equinor (EQNR), die man nun auf die Watchlist als spekulative kurzfristige Rebound-Kandidaten setzen sollte. Gutpositioniert sind hier auch kleinere britische Konzerne wie Serica Energy (SQZ) und Harbour Energy (HRB), die sich auf Gasexploration in der Nordsee fokussieren.
Konservativ betrachtet, favorisieren wir immer noch großkapitalisierte Konzerne, wie Shell, ExonMobile und ConocoPhillips, die zusätzlich eine konstante Dividendenpolitik vorweisen können.
Wachstumskonzerne, wie die Cheniere Energy (LNG), Golar LNG (GLNG) und Equinor ASA (EQNR) sind dabei eine etwas riskantere, dennoch eine ebenfalls interessante Anlagealternative, um den zukünftigen Megatrend der EU-Gasversorgung zu spielen. Entscheidend sind hier lediglich die Präferenzen und das Risiko-Appetit des jeweiligen Investors.
Nicht zu vergessen, wäre auch die Tatsache, dass die Gas-Frage eine politische Angelegenheit darstellt, was ein zusätzliches Risiko mit sich bringt. Aus diesem Grund sollte man hier Trading-technisch neben der fundamentalen Entwicklung der jeweiligen Konzerne verstärkt auf Presseberichte und Kommentare der jeweiligen Regierungen, einzelner Politiker, Minister und Staatsoberhaupte achten. Denn genau sie werden demnächst (Richtung Herbst/Winter) für kurzfristige Impulse sorgen.
Viel Erfolg und bleiben Sie profitabel!
Verantwortlicher Redakteur Kulikov Leonid: Keine Eigenposition