Trend-Check Teil I: Jahresrückblick - Ciao 2022, niemand wird Dich vermissen!

Liebe Leser,

das schwierige Jahr 2022 ist endlich vorbei und die Börsenwelt erwacht langsam, aber sicher aus dem kurzen Jahreswechsel-Schlaff, wobei die Unternehmen-technische News-Lage zunächst dünn bleibt. Wir nutzen diese Zeit, um einen Jahresrückblick zu machen, denn es ist wichtig zu wissen, welches geopolitisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Fundament wir ins neue Jahr mitgenommen haben. Im Fokus sind heute die wichtigsten Trends/Ereignisse von 2022. Dazu gehört bspw. die Inflation, Massenentlassungen im IT-Sektor, Versuch der wirtschaftlichen Isolation der Russischen Föderation, chinesische Lockdown-Problematik, die Europäische Entschlossenheit gegenüber der Russischen Föderation und natürlich die weiterhin strenge Zinspolitik der FED.

Die Inflation ist ein globales Problem

Über die steigende bzw. viel zu hohe Inflation haben wir im vergangenen Jahr sehr oft geschrieben. Doch diese negative Entwicklung nahm schon Mitte 2021 ihren Lauf. Sie ist die Folge der zügellosen Geldpolitik der FED und anderer Zentralbanken, die u.a. während der COVID-Pandemie, als die globale Wirtschaft Lockdown-bedingt stillgelegt wurde, anfingen, zahlreiche Rettungspakete und Stimulierungsprogramme (zusätzlich gedrucktes Geld) zu verabschieden. Damals sprach man von einer sogenannten temporären/vorübergehenden Inflation. Doch 2022 bekam man die Rechnung, wobei man sehr schnell feststellen musste, dass die Inflation ein strukturelles Problem darstellt.

Und ja, die ganze Welt bekam es wirklich zu spüren. Wahrscheinlich gab es im vergangenen Jahr keine einzige Warenkategorie, für die die Preise nicht gestiegen wären: von Öl und Gas bis hin zu Eiern und Milch. In den USA markierte die Inflation mit 7,7 % den höchsten stand der letzten 40 Jahre. In den Ländern der Eurozone sind es im Durchschnitt 10 % und in der hart sanktionierten Russischen Föderation etwa 12,7 %. Den traurigen Höhepunkt markierte wohl die Türkei, wo die Inflation teilweise auf rund 84 % hochschnellte.

Der Grund für die hohe Wareninflation ergab sich im Großen und Ganzen aus einem unikalen Zusammenspiel zahlreicher Faktoren: Das Fundament, so überraschend es klingen mag, bildete jedoch die Globalisierung der wirtschaftlichen Weltbeziehungen. Die Globalisierung und der harte Wettbewerb in der Pre-Pandemiezeit führten zu niedrigeren Preisen für unterschiedlichste Warenkategorien, Rohstoffe etc. Diers führte jedoch dazu, dass die Investitionen in Kapazitätserweiterung stark verringert wurden. Es war eben sehr einfach irgendwas sehr günstig auf dem anderen Ende der Welt zu kaufen und zum Zielort v.a. in der EU und USA via Transportschiffe, Flugzeuge, LKWs, Güterzüge und Pipelines zu transportieren.

In der ersten Hälfte des Jahres 2020, als die Pandemie begann, wechselte die Welt jedoch in einen Lockdown-Modus, der bereits im Sommer desselben Jahres gelockert wurde und die Menschen begannen, aktiv zu konsumieren, um teilweise die durch Lockdowns verlorene Zeit und Freude auszukompensieren, zumal einige von ihnen Unterstützungsgelder von den jeweiligen Regierungen bekommen haben. Doch die stillgelegte Wirtschaft und explizit Unternehmen, die über eingeschränkte Kapazitäten verfügten, waren auf einen solchen Nachfrageanstieg nicht vorbereitet. Dazu kam auch das Problem mit gestörten Logistik-/Lieferketten. Plötzlich fehlte es an allem; Bauteile, Komponenten, Chips, Halbleiter, Rohstoffen etc.

Dabei ist der Pandemie-Faktor über die Jahre nirgendwo verschwunden und so wiederholte sich die Lockdown-Situation erneut, wobei Quarantänen in regelmäßigen Abständen erneut eingeführt wurden. Dies führte zu einer weiteren Verschlimmerung der Lieferkettenproblematik, mündete aber auch zugleich u.a. in höhere Transportkosten, die man anfing, auf Endverbraucher zu übertragen.

Katalysatorische Wirkung spielte in diesem Fall der im Februar 2021 angelaufene Ukraine-Konflikt, der massive Sanktionen gegen die Russische Föderation verursachte. Dies führte zunächst zu einer weiteren Verschlimmerung der Situation mit Lieferketten und Transportkosten. Die Waren, die man früher über das russische Territorium und durch den russischen Luftraum transportierte, mussten man nun auf umständliche und deutlich teurere Umwege schicken.

Gleichzeitig verzichtete man freiwillig auf Waren und Rohstoffe aus der Russischen Föderation, von denen man stark abhängig war, was logischerweise sowohl zu den längeren Wartezeiten als auch zu den höheren Waren- und Rohstoffkosten führte. Besonders deutlich war diese Entwicklung beim Öl und Erdgas, die zur Herstellung von zahlreichen Gütern und industrielle Prozesse benötigt werden.

So erlebte die Welt in der zweiten Hälfte 2022 eine regelrechte Inflationsexplosion. Und zu diesem Zeitpunkt gibt es wirklich keinen ernsthaften zu der Annahme, dass sie in naher Zukunft spürbar sinken wird. Grund dafür ist die Tatsache, dass alle Faktoren, die einen solchen Preisanstieg verursacht haben, sich lediglich leicht abgeschwächt haben. Doch sie sind nirgendwo verschwunden und werden leider auch ins neue Jahr mitgenommen. Und daher ist und bleibt die Inflation das Problem Nummer Eins, das man im neuen Jahr lösen sollte. Dies bringt uns direkt zum zweiten wichtigen Thema.

FED, steigende Zinsen und steigende Rezessionswahrscheinlichkeit

Die steigende Inflation hat weltweit zur strengeren Fiskalpolitik der FED und Zentralbanken in Form von höheren Zinsen geführt. Im Allgemeinen ist dies eine Kettenreaktion: wenn die US-Notenbank die Zinsen erhöht, führt dies in der Regel zu einem Anstieg des Dollarkurses. Daher sind die Zentralbanken anderer Länder schließlich dazu gezwungen, entweder den nationalen Zinssatz mitzuerhöhen oder eben die Schwächung der heimischen Währung zu ertragen. Deswegen wurden im Jahr 2022 die Zinssätze sowohl in den Industrie- als auch in den Emerging Markets stark angehoben. Und genau dieses Ereignis bringt nun die globale Weltwirtschaft an den Rand einer Rezession. Grund dafür ist die Tatsache, dass mit höheren Zinssätzen auch die Kreditkosten für die Wirtschaft steigen und so erleben wir nun eine Phase, wo die Wirtschaft sich zu verlangsamen bedingt, wobei der Fokus immer mehr Richtung Kostenoptimierung statt Wachstum verlagert wird. Und daraus ergibt sich der dritte sehr spezifische, dennoch wichtige Punkt.

Massenentlassungen in im IT-Sektor

Insgesamt ist dies ein eher unerwartetes Phänomen, denn bis zuletzt galt die IT-Branche, v.a. vor dem Hintergrund der angelaufen weltweiten Digitalisierung als richtig krisensicher. Doch plötzlich begannen in der zweiten Hälfte 2022 Massenentlassungen In der IT-Industrie. Bis Ende November 2022 haben IT-Unternehmen, darunter Alphabet, Amazon, Meta, etc. allein in den USA mehr als 90.000 Mitarbeiter entlassen und die Zahl der Entlassungen nimmt weiter zu. Personalkürzungen betrafen sogar die begehrten indischen Programmierer, die man zuletzt immer wieder wegen ihren niedrigen Lohnansprüchen gesucht und eingestellt hatte. Doch auch in Indien wurden bis Ende November fast 18.000 IT-Spezialisten entlassen und somit ist das Phänomen der Massenentlassungen im IT-Sektor leider ein globales Phänomen.

Der Grund für diese Vorgehensweise ist ebenfalls leicht zu erklären: In den vergangenen Pandemie-Jahren haben IT-Unternehmen vor dem Hintergrund der rasanten Digitalisierung der Welt die Anzahl der Mitarbeiter stark erhöht. Dabei profitierte man von niedrigen Zinsen und zahlreichen Stimulierungspaketen. Und an dieser Stelle muss man verstehen, dass zahlreiche IT-, Cloud, SaaS- etc.-Konzerne, die in den vergangenen Jahren, wie die Pilze aus dem Boden geschossen kamen ganz einfach unprofitabel sind. Für sie war der Zugang zum billigen Kapital (wegen den niedrigen Zinsen) lebenswichtig, um sich weiter zu finanzieren. IT-Giganten wie Microsoft und Co. haben ebenfalls vom niedrigen Zinsniveau profitiert. Denn damit haben sie nicht nur zusätzliche Mitarbeiter einstellen können, sondern haben durch billige Kredite auch große Übernahmen finanziert, um weiter zu wachsen.

Doch nun hat sich alles geändert. Steigende Zinsen und viel zu hohe Inflation haben u.a. zu den Gehaltserhöhungen geführt. Gleichteig erleben wir nun eine globale Wirtschaftsverlangsamung, wobei die Nachfrage nach korporativen IT-Lösungen sich ebenfalls zu verlangsamen anfängt und so traf man die Entscheidung, bis auf Weiteres das viel zu teuer gewordene IT-Personal zu kurzen, um das für die Aktionäre gewohnte Profitabilitätsniveau zu bewahren. Die einzige positive Nachricht ist hier die Tatsache, dass schon bald ein großes Überangebot an spezialisierten Arbeitskräften am Markt entstehen wird und sobald die Rezession überstanden ist und IT-Sektor zum Wachstum zurückkehr, werden Großkonzerne die Möglichkeit bekommen, deutlich bessere Arbeitskräfte (i.S.v. hochqualifiziert und mit Erfahrung) zu adäquaten Löhnen einzustellen.

Abschließend schauen wir in unserem Jahresrückblick Richtung China,

denn das kommunistische Land versucht immer noch, seiner Zero-COVID-Politik treu zu bleiben. Die chinesische Regierung hat im vergangenen Jahr mehrmals strenge Lockdowns eingeführt, ohne dabei die Rücksicht auf die sozialen und wirtschaftlichen Folgen zu nehmen. Dieses plötzliche und harte Vorgehen, wobei Millionen-große Städte und ganze Provinzen einfach so unter strenge Quarantänemaßnahmen gesetzt wurden, ist zur harten Realität des vergangenen Jahres geworden. Und ja diese Vorgehensweise der kommunistischen Partei hatte ebenfalls eine katalysatorische Wirkung auf Inflationswachstum weltweit. Grund dafür ist die Tatsache, dass China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und ein wichtiges Wirtschafts- und Logistikzentrum ist.

Doch Lockdown-Situation fängt an, sich langsam zu ändern.

So haben die chinesischen Regierungsbehörden in der ersten Dezemberhälfte unter dem Einfluss von Massenprotesten unzufriedener Bürger beschlossen, Lockdownregelungen etwas zu lockern. Nun wird kein zwingendes negatives Testergebnis mehr benötigt, um sich innerhalb der Volksrepublik China zu bewegen. Gleichzeitig ist ein Negativtest obligatorisch für den Besuch von Pflegeheimen, Schulen und Krankenhäusern geworden. Die Menschen, die COVID-Symptome aufweisen, werden nun anstelle einer Zwangsisolierung gebeten, sich mit Verwandten in eine freiwillige Isolation zu begeben. Dabei müssen sie ihren Standort durchgehend in einem Regierungs-App bestätigen. Den Lokal-Behörden wird es empfohlen, Lockdowns nur noch lokal und nicht in den ganzen Bezirken oder gar Städten zu verhängen.

Wie man also sehr gut sehen kann, versucht China auf COVID-Herausforderungen weiter scharf zu reagieren, wobei man bei dieser Art von Lockerungen noch von keinem tatsächlichen Reopenning sprechen kann. Und genau diese belastende Situation wird nun in das neue Jahr mitgenommen.

Besorgniserregend ist hier auch die Tatsache, dass COVID-Pandemie, die man in China in den vergangenen Jahren unter Kontrolle hatte, nun vollkommen aus dem Ruder läuft. Immer mehr Chinesen erkrankten und starben in den vergangenen Monaten, was in eine unkontrollierte Virus-Verbreitung münden könnte. Und somit bleibt die Gefahr bestehen, dass die chinesische Regierung zur alten scharfen Zero-Toleranz-Covid-Politik zurückkehren könnte. Sollte es tatsächlich dazu kommen, so würde dies eine weitere Belastung für die globale Weltwirtschaft bedeuten, weswegen die Wahrscheinlichkeit einer harten Rezession weiter hoch bleibt.

Anzumerken bleibt lediglich die Tatsache, dass die chinesischen Aktien in den vergangenen Wochen zu den Top-Performern gehörten. So unbeständig der Trend rund um das chinesische Reopening sein mag, reicht diese Spekulation vollkommen aus, um opportunistische Hit&Run-Trader und langfristig orientierte Investoren anzulocken. Grund dafür ist der unikale Mix, der sich gerade aus einer viel zu stark abverkauften charttechnischen Situation in Kombination mit einer enormen Wachstumsperspektive ergibt. Doch darüber, sowie über einzelne Stocks werden wir schon bald im zweiten Teil des globalen Trend-Updates diskutiere. Dort werden wir auch versuchen, eine objektive Trend-Prognose für das angelaufene Jahr 2023 aufzustellen. Bis dahin…

viel Erfolg und bleiben Sie profitabel!

Verantwortlicher Redakteur Kulikov Leonid: keine Eigenpositionen.

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