VanEck zeigt, wie das Zusammentreffen eines späten Kreditzyklus mit einem frühen Technologiewandel die Märkte verändert. Drei Phasen der KI-Entwicklung definieren Gewinner und Verlierer, während knappe reale Vermögenswerte Anleger vor Geldentwertung schützen.
Die heutige Welt ist von einigen Widersprüchen gekennzeichnet. Ein gutes aktuelles Beispiel ist, dass Zohran Mamdani durch seinen Sieg bei den Bürgermeisterwahlen in New York City jetzt dabei ist, den Sozialismus in die Hauptstadt des Kapitalismus zu bringen.
Aus der Sicht von VanEck ist dies das perfekte Symbol für eine Welt, die unter Inflation, Ungleichheit und Automatisierung leidet. Populismus war unvermeidlich. Jetzt werden wir sehen, wie weit er geht, so der Investmentmanager.
Laut David Schassler, Leiter Multi-Asset-Lösungen bei VanEck, befinden wir uns in einer seltsamen Situation – einer späten Konjunkturphase, die mit einem frühen Innovationsboom kollidiert. Die Verschuldung steigt, während sich der Umbruch beschleunigt. Die USA befinden sich gleichzeitig am Ende eines Kreditzyklus und am Anfang eines historischen Investitionszyklus in KI, Automatisierung und Energie. Verschuldung trifft auf Umbrüche – und diese Kollision wird das nächste Jahrzehnt prägen, so sein Urteil.
Die drei Phasen der KI
Bei der Entwicklung des Megatrends Künstliche Intelligent (KI) sieht er eine Entwicklung in drei klaren Phasen:
- Entwickler – die Unternehmen, die die Technologie entwickeln und vorantreiben.
- Anwender – die Unternehmen, die sie einsetzen, um die Effizienz zu steigern und Kosten zu senken.
- Automatisierer – die Konvergenz von KI und Robotik, die Arbeit und Produktivität neu definieren wird.
Der Großteil der Welt befindet sich gemäß Schassler noch in Phase 1. Einige wenige Vorreiter bewegen sich bereits in Richtung Phase 2. Und die ersten Anzeichen für Phase 3 zeichnen sich ab.
Phase 1 – Die Entwickler entwickeln weiter
Die Entwickler beweisen derzeit sowohl das Potenzial als auch den Preis der KI – und die Investoren beginnen sich zunehmen zu fragen, wie hoch die Rechnung dafür letztlich ausfallen wird.
- Microsoft: Der Konzern verbucht zwar 77 Mrd. USD an Umsatz und 30 Mrd. USD an Gewinn, aber die Anleger konzentrierten sich jüngst vor allem auf steigende Kosten für die KI-Infrastruktur und auf vorsichtige Prognosen.
- Meta Platforms: Dieser Konzern erzielte ein Umsatzwachstum von 26 %, aber die Aktie fiel, nachdem das Management davor gewarnt hatte, dass die KI-Ausgaben hoch bleiben werden – eine Erinnerung daran, dass der Aufbau der Zukunft nicht billig ist.
Beide Aktien gaben nach der Veröffentlichung der Zahlen nach. Der "Preis” der KI besteht nicht nur aus Chips und Servern – er besteht auch aus einer Belastung für den Cashflow, er übt Druck auf die Margen aus und verlangt von den Investoren Geduld.
KI-Ausgaben belasten die Bilanzen und zuletzt bei Meta und Microsoft auch die Kurse

Quellen: Bloomberg, VanEck, Stand 06.11.2025.
So sieht Phase 1 laut Schassler in Echtzeit aus: Die weltweit größten Technologieunternehmen investieren Kapital in Rechen-, Cloud- und Dateninfrastruktur, während die Märkte wissen wollen, wann sich dies auszahlt.
Die Geschichte wandelt sich von Wachstum um jeden Preis zu Wachstum mit Verantwortlichkeit. Die "Aufbauphase” läuft noch, aber die Märkte beginnen, die richtige Frage zu stellen: Wann werden all diese Ausgaben zu Gewinnen führen?
Phase 2 – Anwender gestalten die Arbeit neu
Während Investoren die steigenden Budgets der Entwickler in Frage stellten, zeigen die Anwender, wie KI die Effizienz verbessern und dabei die Arbeit neu gestalten kann.
Amazon, der zweitgrößte Arbeitgeber der USA, lieferte im Oktober eines der deutlichsten Beispiele dafür. Die Aktien des Unternehmens stiegen nach Bekanntgabe der Ergebnisse um etwa 11 %, nachdem der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um rund 13 % auf 180 Mrd. USD gestiegen war und der Gewinn um fast 40 % zugelegt hatte. Das Wachstum von AWS – um ~20 % auf 33 Mrd. USD – bestätigte den Investoren, dass Amazon seine KI-Investitionen in Ergebnisse umsetzt.
Anfang des Jahres hatte CEO Andy Jassy darauf hingewiesen, dass KI es Amazon ermöglichen würde, effizienter zu arbeiten und den Bedarf an einigen Unternehmensfunktionen zu reduzieren. Diese Botschaft spiegelt sich nun auch in den Daten wider: Das Unternehmen hat den Abbau von etwa 14.000 Stellen angekündigt und plant, bis zu 30.000 Stellen zu streichen.
Seine eigenen Automatisierungs- und Machine-Learning-Tools übernehmen zunehmend Aufgaben, die früher von Analysten, Managern und Personalvermittlern ausgeführt wurden. Die Investoren belohnten den Nachweis, dass die Einführung der KI die Produktivität verbessert und die Kosten senkt und nicht nur die Ausgaben in die Höhe treibt.
Effizienzsteigerungen durch KI-Einsatz verbessern bei Amazon die Aussichten, das dem Kurs half

Quellen: Bloomberg, VanEck, Stand 06.11.2025.
Accenture hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Das Beratungs-Unternehmen wurde gegründet, um Kosten zu senken und zu modernisieren – genau das, was KI leistet. Die Ironie dabei ist groß: Das Unternehmen, das jahrzehntelang Menschen durch Automatisierung aus ihren Jobs verdrängt hat, wird nun selbst automatisiert.
Anfang dieses Jahres kündigte es im Rahmen einer Umstellung auf KI 11.000 Entlassungen an, aber die Bedrohung geht noch tiefer. Generative KI kann mittlerweile einen Großteil dessen leisten, was Accenture verkauft – Codes schreiben, Daten analysieren und Arbeitsabläufe neu gestalten –, wodurch das Unternehmen möglicherweise vollständig verdrängt wird. Die Aktie ist in diesem Jahr um fast 30 % gefallen, da der Markt beginnt, dieses Risiko einzupreisen.
Die Daten spiegeln die Schlagzeilen wider. Eine aktuelle Analyse des Economist, die auf einer Studie mit 300.000 Unternehmen basiert, ergab, dass Unternehmen, die KI in ihre täglichen Abläufe integrieren, bereits jetzt 7,7 % schneller Stellen für Nachwuchskräfte abbauen als Unternehmen, die dies nicht tun, während die Zahl der Führungspositionen stabil bleibt.
KI hat einen verstärkten Einfluss auf Nachwuchskräfte

Quelle: "Generative KI als technologischer Wandel mit Senioritätsverzerrung" von S.M. Hosseini & G. Lichtinger, SSRN-Arbeitspapier, 2025.
Das ist ein subtiles, aber vielsagendes Signal: KI ersetzt noch nicht die Manager – sie ersetzt die Menschen, die einst für sie gearbeitet haben. Dies ist ein Blick hinter die Kulissen dessen, was auf uns zukommt – die ersten Umrisse eines Arbeitsmarktes, der still und leise neu geschrieben wird. Phase 2 ist kein Unternehmenstrend, sondern das neue Betriebsmodell.
Phase 3 – Die Automatisierung übernimmt das Ruder
Einige Unternehmen sind bereits in Phase 3 eingetreten, aber was heute noch experimentell ist, wird bald zum Standard werden, Schassler.
In den Lagern von Amazon sortiert und konsolidiert Blue Jay – ein neuer KI-gesteuerter Roboterarm – nun unter Anleitung von Project Eluna etwa 75 % der Artikel. Dieses KI-System verwaltet den Arbeitsablauf und prognostiziert Engpässe. Derzeit handelt es sich noch um eine Automatisierung im Anfangsstadium, die auf die Logistik beschränkt ist, aber sie gibt einen Vorgeschmack auf das, was als Nächstes kommt.
Wenn der zweitgrößte Arbeitgeber Amerikas Maschinen baut, die sowohl Manager als auch Arbeiter ersetzen können, ist das mehr als nur Effizienz – es ist eine Evolution. Amazon befindet sich noch am Anfang von Phase 3, aber aufgrund seiner Größe werden die Auswirkungen nicht begrenzt bleiben.
KI wird zu außergewöhnlichen Produktivitätssteigerungen führen – aber auch zu einem weitreichenden Verlust von Arbeitsplätzen. Dies wird ein struktureller Wandel sein, kein vorübergehender Schock. Die USA werden letztendlich gezwungen sein, entlassene Arbeitnehmer durch höhere Sozialausgaben zu unterstützen.
Schulden, Liquidität und der Ausstieg
Während die Technologie rasante Fortschritte macht, hinkt das Finanzsystem hinterher. Die USA ersticken an ihren Schulden und begeben sich in einen massiven Investitionszyklus, mit dem Ziel, um jeden Preis zu gewinnen – in den Bereichen Technologie, Effizienz und Energieunabhängigkeit. Eine restriktive Finanzpolitik passt da nicht ins Bild.
Gold und Bitcoin haben nach außergewöhnlichen Kursanstiegen eine starke Korrektur erfahren. Bitcoin, das Anfang des Jahres einen Höchststand von 125.000 US-Dollar erreichte, fiel zuletzt wieder unter 100.000 USD. Gold erreichte 4.356 US-Dollar, bevor es kurz unter 4.000 USD fiel. Dies sind bedeutende Bewegungen, aber sie sind keine Anzeichen von Schwäche – sie sind die natürliche Volatilität von Vermögenswerten, die eher auf Überzeugung als auf Cashflow basieren, so VanEck in der zitierten Publikation.
Schassler erinnert an die hausinterne Prognose, dass der Bullenmarkt für Gold mit einer höheren Volatilität einhergehen würde – und genau das sei eingetreten. Die langfristigen Rahmenbedingungen hätten sich aber nicht geändert: Die Welt gibt Geld aus, um Fortschritt zu finanzieren, nicht um Schulden zu tilgen. In diesem Umfeld bleiben knappe Vermögenswerte die Ausnahmen – Wertspeicher, die nicht gedruckt werden können, um Überschüsse zu finanzieren.
Und so lautet seine Meinung dazu: "In sechs Monaten werden Sie sich wünschen, diese Vermögenswerte zu den heutigen Preisen gekauft zu haben. Wir glauben auch, dass sie zunächst noch weiter fallen könnten. Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass der Versuch, den Tiefpunkt zu erraten, ein Spiel für Verlierer ist. Seien Sie nicht zu clever. Kaufen Sie nach und nach. Volatilität ist Ihr Freund."
Kreditrisiko in der Spätphase des Konjunkturzyklus
Jamie Dimon verglich kürzlich das Auftreten von notleidenden Krediten mit dem Entdecken von Kakerlaken – wenn man eine sieht, gibt es noch mehr. Der Chef von JPMorgan hat laut Schassler Recht, aber es geht hier nicht um ein paar wenige schlechte Kreditnehmer. Es geht um die Spätphase des Konjunkturzyklus, in der die Wirtschaft noch stark aussieht, die Märkte zuversichtlich sind und sich die hässliche Seite des Überflusses zu zeigen beginnt.
Die schlechtesten Kredite werden in den besten Zeiten vergeben. Private Kredite sind auf über 1,6 Billionen USD explodiert, angeheizt von Investoren, die Renditen jagen und davon überzeugt sind, dass Risiken aus dem System eliminiert wurden. Regionalbanken hingegen werden durch höhere Finanzierungskosten und eine Flut von Refinanzierungen gewerblicher Immobilien, die bei den aktuellen Zinssätzen nicht funktionieren, unter Druck gesetzt.
Kreditgeber hinken dem breiten Markt hinterher

Quellen: Bloomberg, VanEck, Stand 06.11.2025.
Der Markt beginnt zu reagieren. Der S&P Regional Banks Select Industry Index und der MarketVector Alternative Asset Managers Index haben seit September, als diese Risiken zum Vorschein kamen, deutlich schlechter abgeschnitten als der Gesamtmarkt. Zusammen spiegeln sie zwei Seiten desselben Problems wider – die Kreditgeber, die private Kredite finanzieren, und die Fonds, die auf diese Finanzierung angewiesen sind.
Wir befinden uns nicht im Jahr 2008 – das Bankkapital ist stärker –, aber das Muster ist bekannt. Risiken wandern, die Verschuldung steigt, und wenn die Musik aufhört zu spielen, wandern die Verluste von den privaten in die öffentlichen Bilanzen. Kreditstress wird zu finanziellem Stress, konstatiert der VanEck-Experte.
Der GENIUS Act und die digitale Nachfrage
Inmitten all dieser Entwicklungen prägen neue Kräfte die Liquidität auf unerwartete Weise. Der so genannte GENIUS Act (Rechtsrahmen für Stablecoins) schafft still und leise strukturelle Käufer von Dollar und Staatsanleihen, indem er vorschreibt, dass Stablecoins Reserven in kurzfristigen US-Anleihen halten müssen.
Diese politische Veränderung ist bereits in den Daten sichtbar. Die Marktkapitalisierungen von USDT und USDC (die beiden größten Stablecoins nach Marktkapitalisierung) sind seit der US-Präsidentschaftswahl gestiegen (Stand: 05.11.2025) und haben sich mit zunehmender regulatorischer Klarheit beschleunigt. Eine stärkere Nutzung von Stablecoins bedeutet eine höhere Nachfrage nach Staatsanleihen – digitale Dollar, die durch echte Schatzwechsel gedeckt sind.
Stablecoins beschleunigen die Nachfrage nach USD

Quellen: Bloomberg, VanEck, Stand 06.11.2025.
Es ist laut Schassler ironisch, dass digitale Vermögenswerte einst als Risiko für den Dollar angesehen wurden. Jetzt erweitern Stablecoins die Reichweite des Dollars in einer Welt, die scheinbar verzweifelt versucht, sich vom Dollar zu lösen. In dieser Hinsicht war der GENIUS Act wirklich genial.
Die alte Welt baut die neue Welt auf
Die Zukunft basiert auf der Vergangenheit. Jeder Durchbruch in den Bereichen KI, Automatisierung und Computertechnik hängt von realen Vermögenswerten ab – den Materialien, der Energie und der Infrastruktur, die die digitale Welt ermöglichen, erklärt Schassler.
Die Chips, die die Intelligenz antreiben, bestehen aus Kupfer, Silizium, Nickel und Seltenen Erden. Die Rechenzentren, die die KI antreiben, werden mit Strom, Kühlung und Konnektivität betrieben. Der globale Wettlauf um Effizienz ist auch ein Wettlauf um Ressourcen. Deshalb ist die "alte Welt" – Energie, Industrie, Infrastruktur und natürliche Ressourcen – für den Aufbau der neuen Welt von entscheidender Bedeutung.
Dieser Zyklus erfordert massive physische Investitionen in Netze, Kapazitäten und Logistik – alles finanziert durch Schulden. Anleger sollten in reale Vermögenswerte diversifizieren. Diese sind nicht nur Inflationsabsicherungen, sondern nach Einschätzung von VanEck auch die Grundlage für Fortschritt.
Die Erkenntnisse für Investoren
Zwei Kräfte prägen diese Ära: KI und Geldentwertung.
- KI treibt das Wachstum voran – Entwickler, Anwender, Automatisierer.
- Geldentwertung finanziert es – die Kosten, um um jeden Preiswettbewerbsfähig zu bleiben.
- Reale Vermögenswerte schaffen es. Gold und Bitcoin sichern es ab.
- Der GENIUS Act ist, einfach gesagt, genial.
Wir leben in einer Welt, in der Schulden auf Disruption treffen – eine Wirtschaft im späten Zyklus finanziert eine Revolution im frühen Zyklus. Sie ist instabil, teuer und voller Chancen.
Langfristige Anleihen und Fiat-Währungen schützen Portfolios nicht. Die Welt wird neu aufgebaut – angetrieben von Technologie, finanziert durch Schulden und verankert in Knappheit.
Schassler rät vor diesem Hintergrund: Besitzen Sie die Architekten der Zukunft. Sichern Sie sich mit knappen Vermögenswerten ab. Es gibt kein Zurück.






