Hims & Hers Health will trotz des überraschenden Ausstiegs von Novo Nordisk an seinem umstrittenen Geschäft mit günstigen Semaglutid-Injektionen festhalten. Nur einen Tag nach der geplatzten Partnerschaft kündigte CEO Andrew Dudum an, weiterhin komponierte Wegovy-Alternativen für Patienten bereitzustellen und stellt sich damit offen gegen den dänischen Pharmakonzern.
Novo hatte am 23. Juni die Kooperation mit dem Telemedizinanbieter beendet und schwere Vorwürfe erhoben: Hims & Hers betreibe "irreführendes Marketing" mit nachgebauten Versionen des Wegovy-Wirkstoffs und ignoriere regulatorische Absprachen. Die Aktie von Hims brach daraufhin um mehr als 35 % ein, der höchste Tagesverlust in der Unternehmensgeschichte.
Dudum zeigt sich davon unbeeindruckt: Sein Unternehmen sehe sich in der Pflicht, "erschwingliche Behandlungsalternativen" anzubieten, unabhängig davon, wie groß der Druck seitens der Pharmaindustrie sei. In Interviews und auf X machte er klar: Ein Kurswechsel komme nicht infrage.
Compounding als Streitursache
Auslöser des Bruchs ist die Praxis des sogenannten Compounding: Hims & Hers hatte Wegovy-ähnliche Injektionen über Apotheken herstellen lassen, individuell angepasst für einzelne Patienten. Diese Praxis war während des Wegovy-Lieferengpasses im Jahr 2023 noch rechtlich erlaubt. Doch mit der Streichung des Medikaments von der offiziellen Mängelliste durch die US-Arzneimittelbehörde FDA im April 2024 entfiel die Grundlage für diese Ausnahmeregelung. Ein Bundesgericht entschied im Juni zudem gegen mehrere Compounder, die weiterhin semaglutidhaltige Nachbauten produzieren wollten.
Novo wirft Hims vor, genau das weiterhin zu tun – in großem Stil. Das Unternehmen spricht von "irreführendem Marketing" und einer "Gefährdung der Patientensicherheit". Laut Ludovic Helfgott, Executive Vice President bei Novo, habe Hims gegen eine klare Vereinbarung verstoßen, die das massenhafte Compounding untersagt habe.
"Wir knicken nicht ein" – Hims kontert
Hims-CEO Andrew Dudum reagierte kämpferisch. In Interviews und auf X machte er deutlich, dass sein Unternehmen auch weiterhin im Interesse der Patienten preisgünstige Alternativen zu Wegovy anbieten werde. "Es gibt keine Chance, dass wir einknicken – egal welches Pharmaunternehmen oder welche Partnerschaft betroffen ist", erklärte Dudum.
Er wirft Novo Nordisk vor, Hims gezielt unter Druck gesetzt zu haben, Patienten auf das Markenpräparat Wegovy zu lenken: selbst dann, wenn es aus medizinischer Sicht keine Notwendigkeit dafür gegeben habe. Novo stehe unter starkem wirtschaftlichem Druck, insbesondere durch die wachsende Konkurrenz des Medikaments Zepbound von Eli Lilly.
Was ist aktuell noch erlaubt?
Hims argumentiert, man biete compounded Varianten nur noch für ausgewählte Patienten mit besonderen Dosierungsanforderungen an. Das ist ein Vorgehen, das die FDA auch nach der Lieferengpassphase grundsätzlich zulässt. Zugleich betont das Unternehmen seine regulatorische Sorgfalt. Als Beleg verweist Dudum auf Deb Autor, ehemalige stellvertretende Leiterin der FDA und heute Mitglied des Hims-Aufsichtsrats.
Wie die US-Behörden diese Argumentation bewerten, ist offen. Klar ist: Sollte die FDA eingreifen, drohen Einschränkungen für ein Geschäftsfeld, das für Hims hohes Wachstumspotenzial bietet, aber zunehmend auch juristischen Druck.
Zwischen Risiko und Rebound
Für Investoren bleibt Hims & Hers ein hochspannender, aber spekulativer Titel. Die Shortquote liegt derzeit bei über 30 %, was auf eine pessimistische Markthaltung hindeutet, zugleich aber auch Spielraum für eine starke Kursreaktion lässt, sollte sich die rechtliche Lage zugunsten des Unternehmens entwickeln.
Die kommenden Monate dürften darüber entscheiden, ob Hims regulatorisch auf Kurs bleibt oder gezwungen ist, sein Geschäftsmodell neu auszurichten. Klar ist: Telemedizin, Direktvertrieb und Generika sind strukturelle Wachstumsfelder. Ob Hims darin langfristig bestehen kann, hängt nun auch vom Umgang mit regulatorischer Grauzone ab.
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