NextEra Energy Inc., lange Zeit das Aushängeschild für Wind- und Solarstrom in den USA, positioniert sich neu: als zentraler Energielieferant für die KI-Cloud – mit deutlich größerem Fokus auf Erdgas und Nuklearenergie, passend zur fossilen energiepolitischen Linie von Präsident Donald Trump.
Das in Florida ansässige Unternehmen präsentierte am Montag ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das Projekte im Bereich Rechenzentren und Erdgas sowie eine große Akquisition im Gasvertrieb umfasst. Dies markiert einen der einschneidendsten strategischen Schwenks der letzten Jahre. Der Aktienkurs fiel im New Yorker Handel um bis zu 2,6 %, da Investoren die Frage klären mussten, ob der einstige Vorreiter für saubere Energie sich in einen führenden Lieferanten von Grundlaststrom für Big Tech transformieren kann, ohne seine Premium-Bewertung oder seine Renditen zu gefährden.
Analysten von Jefferies führten die Skepsis des Marktes auf zwei Faktoren zurück: eine langsamer als erhoffte Pipeline neuer Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien sowie die Herausforderung, die vielbeachteten Rechenzentrums-Ankündigungen tatsächlich in vertraglich zugesicherte Megawatt und Gewinne zu überführen.
"Über ein Jahrzehnt hinweg waren Investoren bereit, einen Aufschlag zu zahlen, weil NextEra als Musterbeispiel für die Umsetzung im Bereich der Erneuerbaren galt", kommentierte Andy Bischof, Analyst bei Morningstar Inc. "Die zentrale Frage lautet nun, ob die Umsetzung im Bereich Gas und hybrider Hubs das gleiche Niveau erreichen wird."
KI-Kooperationen mit Google und Meta
Im Rahmen des Investorentags kündigte NextEra eine Kooperation mit Google Cloud (Alphabet Inc.) zur Entwicklung mehrerer Rechenzentrumscampusse im Gigawatt-Maßstab in den USA an. Diese Standorte sollen jeweils mit neuer Erzeugungs- und Netzkapazität kombiniert werden, anstatt sich allein auf bestehende Netzinfrastrukturen zu stützen. Die Partnerschaft umfasst zudem die interne digitale Transformation von NextEra, wobei Googles KI-Tools zur Vorhersage von Netzbedingungen und Anlagenausfällen genutzt werden; ein kommerzielles Produkt für Versorgungsunternehmen ist für Mitte 2026 geplant.
Des Weiteren gab das Unternehmen bekannt, mit Meta Platforms Inc. Verträge über rund 2,5 Gigawatt sauberer Energie abgeschlossen zu haben. Dies umfasst elf Stromabnahmeverträge und zwei Speichervereinbarungen zur Versorgung von Rechenzentren unter anderem in Texas, dem Mittleren Westen und dem Südwesten. Die Kapazität besteht überwiegend aus durch Batterien gestützter Solarenergie, deren Inbetriebnahme zwischen 2026 und 2028 erwartet wird.
Zusätzlich verlängert NextEra einen langfristigen Kernenergieliefervertrag mit WPPI Energy, der die Stromversorgung durch das Point Beach-Kraftwerk in Wisconsin bis in die 2050er Jahre sichert. Zudem wurde mit Google vereinbart, das Kernkraftwerk Duane Arnold in Iowa wieder hochzufahren, um KI-Rechenzentren in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zu versorgen.
Das Erdgasgeschäft wächst – Deals mit Exxon und Comstock
Der prominenteste Vorstoß im Bereich der fossilen Brennstoffe ist eine Rahmenvereinbarung mit Exxon Mobil Corp. zur Vermarktung eines 1,2-Gigawatt-Gaskraftwerks mit CO₂-Abscheidung. Das Projekt zielt auf Hyperscale-Kunden ab und soll in der Nähe von Exxons CO₂-Pipeline-Netzwerk entstehen. Es gilt als Testfall dafür, ob Big Tech bereit ist, für "kohlenstoffarmen" Gasstrom höhere Preise zu zahlen, insbesondere da die Anreize für traditionelle Erneuerbare zurückgefahren werden.
In Texas arbeitet NextEra mit Comstock Resources Inc., dem von Jerry Jones unterstützten Gasproduzenten, an Energielösungen für neue Rechenzentrums-Cluster nahe den Schiefergasfeldern. Damit wird die Gasförderung direkt mit der lokalen Stromerzeugung für die digitale Infrastruktur verknüpft.
Zur Stärkung der Gasvertriebskompetenz erwirbt die Einheit NextEra Energy Resources die Symmetry Energy Solutions von Energy Capital Partners. Dadurch erhält der Konzern Zugang zu einem Gasvertriebsgeschäft, das Gewerbe-, Industrie- und Privatkunden in 34 Bundesstaaten bedient. Der Abschluss der Transaktion wird im ersten Quartal 2026 erwartet.
Ein 15-Gigawatt-Ziel für Rechenzentrum-Hubs
Das Unternehmen stellte Pläne zur Entwicklung von 15 Gigawatt neuer Erzeugungskapazität speziell für Rechenzentrums-Hubs bis 2035 vor. CEO John Ketchum betonte, interne Szenarien sähen bei entsprechender Nachfrage sogar eine Verdoppelung dieser Menge vor: "Wir wären enttäuscht, wenn wir nicht mehr schaffen würden", sagte er und beschrieb das Basisziel als konservativ.
NextEra geht davon aus, bis Mitte der 2030er Jahre eine Rechenzentrumslast von 15 bis 30 Gigawatt bedienen zu können – eine Kapazität, die mehreren mittelgroßen US-Netzen entspricht. Dies würde das Unternehmen als zentralen Profiteur des "goldenen Zeitalters der Stromnachfrage", angetrieben durch KI und Elektrifizierung, festigen.
Ertragsausblick steigt trotz politischem Gegenwind
Die neuen Vereinbarungen erlaubten es NextEra, seine Gewinnerwartungen erneut anzuheben. Das Unternehmen prognostiziert nun ein bereinigtes Ergebnis je Aktie von 3,62 bis 3,70 USD in 2025 und 3,92 bis 4,02 USD in 2026. Gründe sind die stark anziehende Nachfrage von Rechenzentren und die robuste Performance des regulierten Versorgungsunternehmens in Florida.
Diese ambitionierten Pläne entfalten sich jedoch vor einem deutlich erschwerten regulatorischen Umfeld für erneuerbare Energien. Trumps Politik, etwa das angekündigte "One Big Beautiful Bill", beschleunigt den Ausstieg aus Steuergutschriften für Wind und Solar und begünstigt Kernenergie, Speichertechnologien sowie bestimmte Projekte zur Kohlenstoffabscheidung.
Für NextEra verschiebt sich dadurch das relative Attraktivitätsprofil der Projekte: Gaskraftwerke mit CO₂-Abscheidung, die Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken und hybride Gas-plus-Erneuerbare-Hubs für Großkunden erscheinen plötzlich vorteilhafter als Wind- und Solarparks, die stark von der staatlichen Förderung abhängig waren.
Balanceakt zwischen Erneuerbaren und Gas
Unterm Strich versucht NextEra, zwei Geschichten gleichzeitig zu erzählen: Nach außen gibt sich der Konzern weiterhin als Weltmarktführer bei Wind- und Solarenergie, der große Tech-Konzerne mit sauberem Strom beliefert und klimafreundliche KI verspricht. Gleichzeitig wächst jedoch der Anteil von Gas-, Nuklear- und CCS-Projekten rasant – genau jene Technologien, die unter Trumps Energiepolitik gefördert werden und den Grundlastbedarf der Rechenzentren sichern sollen. Portfoliomanager sehen darin eine klare strategische Logik: Hyperscaler benötigen massive, jederzeit verfügbare Energie, die aktuelle Politik bevorzugt gesicherte Kapazität gegenüber "intermittierenden" Quellen, und NextEra verfügt über Bilanzstärke und Umsetzungserfahrung für Großprojekte.
Ob der Markt diese Doppelrolle honoriert, hängt dennoch von drei Faktoren ab: Entscheidend ist erstens die Vertragsstruktur – je stärker die neuen Gas- und Hybridkraftwerke über langfristige Vereinbarungen mit Hyperscalern abgesichert sind, desto eher bleiben die Cashflows im vertrauten Versorgerprofil; hier mahnt etwa Tim Winter von Gabelli Funds an, dass NextEra nicht auf volatile Großhandelsmärkte setzen sollte.
Zweitens wird die Projektumsetzung zum Lackmustest, denn CCS-Anlagen, nukleare Wiederinbetriebnahmen und gigantische Datenzentrums-Hubs sind genehmigungs- und bautechnisch weit anspruchsvoller als ein zusätzlicher Solarpark in der Wüste.
Drittens spielt die ESG-Toleranz der Investoren eine Rolle: Ein Teil der bisherigen Aktionäre könnte sich an der wachsenden fossilen Komponente stoßen, während neue Investoren NextEra eher als Infrastrukturanbieter der KI-Ökonomie denn als reinen Klimawert betrachten dürften.
Fest steht vorerst nur eines: NextEra bleibt ein zentraler Akteur der Energiewende – doch diese verläuft in der Trump-Ära deutlich weniger gradlinig, als es viele Klimastrategien der vergangenen Jahre unterstellt haben.







