Im Rahmen des Quartalsgesprächs mit Analysten und Investoren präsentierte Nvidia eindrucksvoll seine Zahlen zum 1. Quartal des Geschäftsjahres 2026 und konterte gleichzeitig Sorgen rund um die US-Exportbeschränkungen mit einer Vision für ein neues Zeitalter der KI-Infrastruktur.
Starke Zahlen trotz Milliardenabschreibung
CFO Colette Kress eröffnete die Telefonkonferenz mit den nüchternen, aber beeindruckenden Ergebnissen: 44 Mrd. USD Umsatz (+69 % gegenüber Vorjahr), ein Datenzentrumsgeschäft, das allein 39 Mrd. USD beisteuerte (+73 %), und ein Rekord-Gaming-Umsatz von 3,8 Mrd. USD. Die Bruttomarge sank zwar durch eine 4,5 Mrd. USD schwere Abschreibung infolge der US-Exportregeln auf 61 %, wäre aber ohne diesen Sondereffekt bei 71,3 % gelegen.
"Unsere Kunden haben sich fest verpflichtet", sagte Kress. Die Blackwell-Architektur, Nvidias neueste KI-Plattform, sei auf dem besten Weg, den bisherigen "Hopper"-Standard komplett abzulösen.
Huang warnt vor Folgen der Exportpolitik und sieht die USA im Plattformkrieg zurückfallen
Jensen Huang fand deutliche Worte zur Lage in China: "Das Exportverbot für den H20-Chip hat unser Hopper-Geschäft in China faktisch beendet." Die neuen Vorgaben ließen keine technische Reduktion mehr zu, und es blieb keine Zeit, Lagerbestände zu verkaufen. Der Markt – rund 50 Mrd. USD schwer – sei für Nvidia "effektiv geschlossen".
Doch Huang beließ es nicht bei Kritik. Die Exportpolitik, so warnte er, beschleunige Chinas eigene Innovationskraft. Die Vorstellung, das Land könne keine eigenen KI-Chips entwickeln, sei "nun eindeutig widerlegt". Statt China zu schwächen, treibe die US-Politik dessen technologische Unabhängigkeit voran.
Laut Huang geht es längst nicht mehr nur um Chips, sondern um die Kontrolle über komplette Technologieplattformen – inklusive Software, Cloudarchitektur und KI-Infrastruktur. "Der eigentliche Plattformkrieg hat begonnen." Wer den Zugang zu einem Markt mit so vielen KI-Entwicklern verliere, verliere auch global an Einfluss. "Die Plattform, die sich in China durchsetzt, wird weltweit dominieren."
Trotz dieser klaren Kritik vermied Huang persönliche Angriffe auf die politische Führung. Er betonte, Präsident Trump habe "einen Plan und eine Vision", der er vertraue. Diese diplomatische Gratwanderung gehört inzwischen zu Huangs Markenzeichen: Klar in der Analyse, zurückhaltend in der politischen Bewertung – aber mit einem klaren Appell zwischen den Zeilen.
Blackwell, GB200 und der Siegeszug des "Reasoning AI"
Dennoch überstrahlten positive Entwicklungen die geopolitischen Schatten. Huang lobte die "beispiellose Nachfrage" nach Nvidias neuesten Produkten. Der neue Superchip GB200 mit NVLink72-Technologie treibt bereits 70 % des Umsatzes im Rechenzentrumsgeschäft. Großkunden wie Microsoft setzen jede Woche rund 1.000 dieser Systeme ein – ausgestattet mit insgesamt 72.000 Blackwell-GPUs. Es ist der bisher schnellste Hochlauf einer neuen Architektur in Nvidias Geschichte.
Besonders betonte Huang den Paradigmenwechsel von generativer zu "Reasoning AI": KI-Agenten, die selbstständig denken, planen und handeln. Modelle wie DeepSeek-R1 oder Anwendungen bei Kunden wie Perplexity oder Capital One zeigen, dass Inferenz-Rechenleistung – also das Denken, nicht nur das Lernen – massiv skaliert werden muss. Blackwell sei für diese neue Ära entworfen worden: "40 Mal schneller als Hopper", so Huang.
Neue Wachstumsfelder: Sovereign AI, industrielle KI und On-Premise
Ein weiterer Schwerpunkt: Der Aufbau sogenannter "AI Factories" weltweit – nationale KI-Infrastrukturen von Saudi-Arabien über die VAE bis nach Schweden. Fast 100 solcher Projekte seien aktuell im Bau. Die Bandbreite reiche von 500 MW-Rechenzentren bis hin zu 5-Gigawatt-Campusprojekten.
Auch im klassischen Unternehmensumfeld ziehe KI nun ein. Mit Produkten wie dem RTX Pro Enterprise Server oder der DGX Station schaffe Nvidia Lösungen für Unternehmen, die ihre Daten nicht in die Cloud verlagern können oder wollen. "Enterprise AI ist bereit, abzuheben", sagte Huang.
Ein besonderes Highlight: Nvidias Plattform "Isaac GR00T N1", das weltweit erste offene Foundation-Modell für humanoide Roboter, findet bereits Anwendung bei Unternehmen wie Boston Dynamics, XPeng oder Waabi. Auch GE Healthcare nutze Isaac zur Entwicklung robotergestützter Bildgebungssysteme.
Netzwerke: Schnellere Verbindungen für die KI-Zukunft
Nvidia entwickelt nicht nur leistungsstarke Chips, sondern auch die nötige Netzwerktechnik, damit riesige KI-Systeme effizient zusammenarbeiten können. In diesem Bereich hat das Unternehmen im vergangenen Quartal große Fortschritte gemacht: Der Umsatz im Netzwerkgeschäft stieg um 64 %.
Mit der neuen NVLink 72-Technologie und der Netzwerklösung Spectrum-X kann Nvidia besonders große Rechenzentren – sogenannte KI-Cluster – noch schneller und effizienter vernetzen. Diese Systeme sind nötig, um moderne KI-Anwendungen wie Sprachmodelle oder Robotik zu betreiben. Die Netzwerktechnik von Nvidia kommt mittlerweile bei vielen großen Techkonzernen zum Einsatz – unter anderem bei Microsoft, Google und Meta. Das zeigt, wie wichtig dieses Geschäftsfeld für die Zukunft von Nvidia ist.
"Wir stehen am Anfang eines neuen Infrastruktur-Zeitalters"
Am Ende des Calls fasste Huang zusammen, was viele Analysten bereits als den Beginn einer neuen Ära bezeichnen: "Die Ära der KI ist da. Von Inferenz in großem Maßstab über Sovereign AI, Enterprise AI bis hin zu industrieller KI – Nvidia ist bereit." Der CEO kündigte eine Europa-Tour an, mit Stationen in Paris, London, Berlin und Brüssel – und bekräftigte: "AI ist nicht nur eine Technologie. Es ist Infrastruktur. Und wir bauen sie."