Die US-Aktienmärkte werden aktuell so stark abverkauft, wie wir es seit dem Covid-Crash im März 2020 nicht mehr erlebt haben. So hat der S&P innerhalb von zwei Handelstage knapp 10 % an Wert verloren. Bei der Nasdaq war das Minus noch höher.
Außerdem befinden sich beide Indizes weit unter ihren gleitenden 200 Tagedurchschnitten und haben das Tief vom 5. August 2024 (Mini-Crash aufgrund des japanischen Carry-Trades) unterschritten. Dies war eine sehr wichtige Unterstützungsebene. Das nächste Unterstützungsniveau ist das Tief vom April 2024 bei ca. 4950 Punkten im S&P 500 (siehe folgende Abbildung).
Der aktuelle Sinkflug der Indizes ist auf Trumps Zollpolitik zurückzuführen, die am vergangenen Mittwoch nach dem US-Börsenschluss im Detail vorgestellt wurde.
Quelle: https://desk.traderfox.com/
Werfen wir einen Blick auf einige psychologische Indikatoren. Diese bringen das aktuelle Sentiment des Marktes zum Ausdruck.
"Angst und Geiz" Index – Im Bereich der extremen Angst
Der "Angst und Geiz" Index bzw. "Fear and Greed" Index stellt den ersten Indikator vor, den wir uns anschauen wollen. Er wird von CNN Business erhoben und ist vermutlich einer der bekanntesten psychologischen Indikatoren (siehe folgende Abbildung).
Er kann Werte zwischen 0 und 100 annehmen, wobei 0 für extreme Angst ("extreme fear") steht und 100 für extreme Gier ("extreme greed") steht. Werte von 0 bis 25 bedeuten "extreme fear". Werte von 26 bis 45 stehen für "fear". Werte von 46 bis 55 bedeuten "neutral". Werte von 56 bis 75 implizieren "greed" und Werte von 76 bis 100 bedeuten "extreme greed".
Dieser Indikator wird aus sieben Sub-Indikatoren ermittelt. Hierunter fallen u. a. neue 52 Wochenhochs in Relation zu neuen 52 Wochentiefs, Marktvolatilität und Put/Call Ratio.
Per 4. April 2025 steht der Indikator bei 4. Das ist einer der tiefsten Werte, die der Index in seiner 13-jährigen Geschichte aufgewiesen hat. Der tiefste Wert beläuft sich auf 2, als der S&P 500 am 12. März 2020 an einem einzigen Tag um 10 % nachgab (Covid-Crash).
Das aktuell sehr niedrige Niveau von 4 bedeutet, dass wir gegenwärtig extrem viel Pessimismus am Markt sehen, was nicht überraschend ist. Es sieht nach einer Übertreibung nach unten aus.
Quelle: https://www.cnn.com/markets/fear-and-greed
AAII-Indikator – Das Niveau der Bären auf Multijahreshoch
Ein zweiter psychologischer Indikator ist der AAII-Indikator (siehe folgende Abbildung). Die Abkürzung "AAII" steht für "American Association of Individual Investors". Der AAII-Indikator bzw. die AAII-Umfrage befragt Privatanleger, wohin sich der Markt in den nächsten sechs Monaten bewegen wird. Historisch gesehen liegt der Wert für bullisch bei 37,5%, für neutral bei 31,5% und für bärisch bei 31%.
Quelle: https://www.aaii.com/sentimentsurvey
Im Allgemeinen lässt sich festhalten, dass der Pessimismus extrem hoch ist. Die optimistische Stimmung, also die Erwartung, dass die Aktienkurse in den nächsten sechs Monaten steigen werden, sank um 5,7 Prozentpunkte auf 21,8 %. Die optimistische Stimmung ist ungewöhnlich niedrig und liegt zum 12. Mal in 14 Wochen unter dem historischen Durchschnitt von 37,5 %.
Die neutrale Stimmung, also die Erwartung, dass die Aktienkurse in den nächsten sechs Monaten weitgehend unverändert bleiben, ging um 4,1 Prozentpunkte auf 16,3 % zurück. Die neutrale Stimmung ist ungewöhnlich niedrig und liegt zum 37. Mal in 39 Wochen unter dem historischen Durchschnitt von 31,5 %. Am 1. April 2020 war die neutrale Stimmung niedriger als aktuell (16,0 %).
Die pessimistische Stimmung, also die Erwartung, dass die Aktienkurse in den nächsten sechs Monaten fallen werden, stieg um 9,8 Prozentpunkte auf 61,9 %. Die pessimistische Stimmung ist ungewöhnlich hoch und liegt zum 18. Mal in 20 Wochen über dem historischen Durchschnitt von 31,0 %. Dies ist der dritthöchste Wert der pessimistischen Stimmung in der Geschichte der Umfrage und war zuletzt am 5. März 2009 höher (70,3 %).
Die Bullen-Bären-Differenz (optimistische minus pessimistische Stimmung) sank um 15,4 Prozentpunkte auf –40,2 %. Die Bullen-Bären-Differenz liegt zum 13. Mal in 15 Wochen unter dem historischen Durchschnitt von 6,5 %.
Die Ergebnisse der jüngsten AAII-Umfrage zeigen somit, dass wir eine stark negative Stimmung sehen. Es sieht nach einer Übertreibung aus.
NAAIM Exposure Index – Auf 1,5 Jahrestief
Der dritte Indikator ist der NAAIM Exposure Index ("National Association of Active Investment Managers"). Dieser stellt das durchschnittliche Engagement an den US-Aktienmärkten dar, das von den Investment Managern gemeldet wird. Dieser Index gibt Einblick in die tatsächlichen Anpassungen, die aktive Risikomanager in den letzten zwei Wochen in den Konten der Kunden vorgenommen haben. Die blaue Linie in der folgenden Abbildung zeigt einen zweiwöchigen gleitenden Durchschnitt der Antworten der NAAIM-Manager.
Quelle: https://www.naaim.org/programs/naaim-exposure-index/
Der aktuelle Wert liegt bei 49,37. Dies ist der niedrigste Wert seit November 2023 (damals lag der Wert unter 30), als die Aktienmärkte sich in zweimonatigen Korrekturphase befanden.
Folglich sehen wir sehr wenig Exposure, was für wenig Zuversicht unter den Investment Managern spricht. Von einer Übertreibung nach unten kann noch keine Rede sei.
Marktvolatilität (VIX) – Auf sehr hohem Niveau
Die Marktvolatilität (VIX) stellt den vierten Indikator dar (siehe folgende Abbildung). Hierbei handelt es sich um einen Sub-Indikator des Fear and Greed Index.
Die Berechnung des VIX ist komplex. Kurz zusammengefasst: Es wird die erwartete Volatilität auf Jahressicht berechnet, indem der Durchschnitt der gewichteten Preise von Out-of-the-money-Puts und -Calls für den S&P 500 in Echtzeit gebildet wird. Um die Tagesvolatilität zu berechnen, muss man den VIX durch 16 teilen (16 entspricht ungefähr der Wurzel von 252, wobei 252 für die Anzahl an Trading-Tagen pro Jahr steht). Beispiel: Wenn der VIX einen Wert von 32 aufweist, dann beläuft sich die erwartete Tagesvolatilität des S&P 500 auf 2%. Dies wäre relativ volatil und wäre ein Anzeichen von Angst im Markt.
Quelle: https://bigcharts.marketwatch.com
Man sagt, dass Werte über 40 für sehr hohe Volatilität und damit für viel Pessimismus im Markt stehen.
Per 4. April 2025 steht der VIX bei 45,30. Der Index schloss diesen Tag sowie die gesamte letzte Woche am Höchstpunkt ab. Außerdem stellt der Wert von 45,30 eines der höchsten Werte der vergangenen fünf Jahre dar.
Während der Corona-Tiefs Mitte März 2020 schoss der VIX bis auf über 80 hoch. Kurz vor der US-Wahl im November 2020 stieg er auf knapp über 40. Am Tag des Einmarsches von Russland in die Ukraine im Ende Februar 2022 lag er bei 38 und am 5. August 2024 (Mini-Crash) schoss der VIX tagsüber auf 66, fiel dann aber schnell und schloss den Tag bei 39 ab.
Der aktuelle Wert zeigt uns somit einen extremen Pessimismus am Markt.
Marktbreite - Auf dem Niveau des Bärenmarktes 2022
Die Marktbreite stellt den fünften Indikator dar. Um sich ein gutes Bild von der Marktbreite zu verschaffen, kann man sich verschiedene Indikatoren und breit gefächerte Indizes anschauen.
So spiegelt beispielsweise der Russell 2000 (ein Index, der 2000 kleine und mittelgroße marktkapitalisierte Unternehmen beinhaltet) die Marktbreite wider. Von seinem Allzeithoch Ende November hat er bereits 27 % an Wert verloren. Damit befindet er sich in einem Bärenmarkt.
Außerdem ist es im Rahmen der Analyse der Marktbreite sinnvoll, einen Blick darauf zu werfen, wie viele Aktien sich über ihrem jeweiligen gleitenden 50 Tagedurchschnitt (SMA50) und gleitenden 200 Tagedurchschnitt (SMA200) befinden.
Aktuell sind es 12,6 % bzw. 17,1 % (siehe folgende Abbildung). Diese niedrigen Werte erinnern mich an die Tiefstände des letzten Bärenmarktes im September/Oktober 2022, an den Covid-Crash im März 2020 und an Dezember 2018.
Quelle: https://finviz.com/
Auch bei dem Indikator der Marktbreite sehen wir somit viel Pessimismus und Übertreibung nach unten.
Was gilt es für die kommenden Wochen und Monate zu beachten?
Gemäß des Researchs der Investorenlegende und des Gründers von IBD, William O’Neil, sowie des dreifachen Gewinners der US Investing Champhionships, David Ryan, tendieren Bärenmärkten zu einer Abwärtsphase in 3 Wellen (siehe auch: https://aktien-mag.de/blog/strategien/6-golden-nuggets-vom-3-fachen-us-investing-champion-david-ryan/p-114962).
In diesem Kontext betont David Ryan, dass die dritte Abwärtswelle oftmals die längste ist. Neue potenzielle Leaderaktien werden während der letzten Abwärtsphase geboren, indem sie keine neuen Tiefststände machen, sondern seitwärts konsolidieren, konstruktive Basen ("bases") formen und idealerweise es schaffen, nahe ihrer 52 Wochenhochs verharren.
Sobald die Gesamtmärkte nach der dritten Abwärtswelle einen sogenannten Follow Through Day aufweisen (siehe auch: https://aktien-mag.de/blog/strategien/was-sagt-uns-william-oneils-sogenannter-pink-rally-day-kommt-nun-der-nachste-borsenaufschwung/p-102496), sollten die neuen Leaderaktien aus ihren Basen nach oben auf neue Hochs ausbrechen.
William O’Neil schreibt hierzu, dass 86 % aller späteren Leaderaktien konstruktive Chartmuster (vor allem Tasse mit Henkel und doppelten Boden) während der Korrekturphasen der Indizes formen. Die meisten der größten Gewinneraktien vervollständigen ihre Chartmuster und brechen nach oben aus in genau der Woche, in der wir bei den Indizes einen Follow Through Day bekommen.
Aktuell haben wir vermutlich zwei Abwärtswellen beim S&P 500 gesehen (siehe folgende Abbildung). Zeitnah sollten wir einen charttechnischen Bounce erleben. Die dritte (mögliche) Abwärtswelle könnten den S&P 500 zurück zu den Hochs des letzten Bullenmarktes (Anfang Januar 2022) bei ca. 4820 Punkten bringen.
Quelle: https://desk.traderfox.com/
Was lässt sich abschließend sagen?
Aktuell sehen wir viel Pessimismus an den Märkten. Die vorgestellten psychologischen Indikatoren unterstreichen dies. Die Wahrscheinlichkeit eines charttechnischen Bounces nimmt mit jedem weiteren Abverkaufstag stark zu.
Analog zu vergangenen Bärenmärkten könnten wir nach einer kurzfristigen technischen Gegenrallye eine dritte Abwärtsbewegung bekommen.