Tracking Anlagetrend Öl - Zeit Gewinne mitzunehmen?
Liebe Leser,
Ende Juni haben wir uns u.a. Öl-Stocks aus dem Offshore-Bohrer-Segment angeschaut und eine These aufgestellt, dass diese vor dem Hintergrund einer steigenden Nachfrage und der Aussicht auf einen steigenden Öl-Preis Richtung Ende 2023/24 sehr gute Chancen, zur Outperformance hätten. Anfang Juli haben wir dieses Thema erneut aufgegriffen und weitere Top-Stocks aus dem Anlagetrend Öl explizit thematisiert. Und damit lagen wir vollkommen richtig. Die Börse hat den Trend rund um steigende Energiepreise ebenfalls aufgegriffen und ihn entsprechend Long gespielt. Kennzeichnend dafür ist wohl die Entwicklung bei der Aktie von Tidewater (TDW), die seit der letzten Besprechung vom Ende Juni fast 40 % zugelegt hat. Gleichzeitig sahen wir aber auch sehr schöne charttechnische Entwicklung bei den explizit thematisierten Stocks wie Valaris (VAL), Schlumberger (SLB), Noble (NE), Transocean (RIG) etc. Doch mittlerweile scheint sich der Zeitpunkt zu nähern, zumindest Teilgewinne dieser schönen Outperformance mitzunehmen.
Geopolitische BalckBox
Grund für die nun aufgekommene Vorsicht ist der aufgeflammte Nahost-Konflikt, dessen Eskalation am 7. Oktober mit dem unerwarteten Angriff von Hamas auf Israel begann. Dies ließ u.a. auch den Öl-Preis sehr dynamisch anspringen und hat logischerweise auch die Öl-Stocks mitgezogen. Und obwohl kurstechnisch dies eine willkommene Entwicklung für die Anleger ist, wäre sie mit Vorsicht zu genesen, denn sie ist nur einer temporären Natur. Grund dafür ist eben die Geopolitik, die vollkommen unberechenbar ist. Sehr viele Fragen, die nun entstanden sind, lassen sich kaum beantworten. Gleichzeitig lassen sich auch die Folgen des aufgeflammten Nahostkonflikt kaum prognostizieren. Doch genau all das wird eine direkte kurz- aber auch langfristige Wirkung auf den Öl-Preis und damit auf die Kursentwicklung bei den Öl-Stocks haben.
Der Kampf verschiedener Öl-Lager
Die primären Rätsel, der in diesem Zusammenhang nun zu lösen (verstehen) gilt, ist die Frage, welcher Öl-Interessen-Lager in den kommenden Monaten gewinnen wird. Denn aktuell beobachten wir folgende Situation: Amerika und Europa brauchen auf keinen Fall ein teures Öl, denn die Grundlage ihrer Volkswirtschaften immer noch auf günstigen (billigen) Energieressourcen basiert. Der höhere Öl-Preis verursacht zudem eine deutlich höhere Inflation, was alle Bestrebungen vom FED (Zinserhöhungen) im BadCase komplett nivellieren kann, sodass der FED dazu gezwungen sein wird, mit dem Zinserhöhungszyklus fortzufahren, was die ohnehin schwächelnde Wirtschaft weiter ausbremsen wird. Im Fall von Europa ist die Situation mit den hohen Öl-Preis noch kritischer, denn im vergleich zu den USA gibt es in der EU kaum nennenswerte Öl-Ressourcen. Und da die EU noch zusätzlich russisches Öl sanktionierte, bleibt die Anzahl der Ersatzalternativen sehr beschränkt.
Wer die Öl-Märke stärker bewegen wird
Und so sehen wir bspw. wie Regierung von Biden am 18. Oktober die Sanktionen gegen den venezolanischen Ölsektor weitgehend gelockert hat, als Reaktion auf eine Vereinbarung zwischen der Regierung und den Oppositionsparteien für die Wahlen 2024. Eine neue, vom US-Finanzministerium ausgestellte allgemeine Lizenz ermächtigte das OPEC-Mitglied Venezuela, das seit 2019 unter vernichtenden Sanktionen stand, in den nächsten sechs Monaten uneingeschränkt Öl zu produzieren und in die von ihm gewählten Märkte (Europa und USA) zu exportieren. In dieser Hinsicht darf man sich nicht täuschen. Dieser Deal ist im Wesentlichen die Absicherung gegen einen möglichen Chaos und Großkrieg im Nahost, was Öl-Exporte Richtung USA sehr stark beeinflussen könnte, zumal, wenn die USA sich dafür entscheiden, in den Krieg an Israels Seite mitzuziehen. Venezuela hat dabei 17 % aller weltweitbekannten Öl-Vorkommen und ist im Gegensatz zu Saudi-Arabien, Iran und anderen islamischen Öl- und Gas-Lieferanten in den aufgeflammten Nahostkonflikt nicht wirklich involviert, was das Land auch mit der sozialistischen Regierung, zur willkommenen Alternative macht.
Warum die spekulative Wahrscheinlichkeit einer Öl-Preis-Korrektur höher ist
Wie man also sehr schnell erkennen kann, ist das Nahost-Thema sehr komplex und unübersichtlich, was eine mehr oder weniger brauchbare Prognose ganz einfach unmöglich macht. Explizit auf Öl-Preis und Öl-Stocks bezogen, muss man unbedingt erkennen können, ob der ÖL-Preis demnächst vom Nahost-Konflikt weiter Richtung der 100 USD getragen wird, oder, ob es den USA und der EU gelingen wird, doch noch eine mehr oder weniger diplomatische Lösung zu finden, wobei Israel-Krieg gegen Hamas nur im Rahmen einer lokalen Operation bleibt und nicht in den Großkrieg gegen alle Nachbarländer ausufert.
Subjektive Einschätzung
Ich persönlich halte die Wahrscheinlichkeit einer beschränkten Operation für höher, was mich zu der Annahme verleiht, dass USA und die EU kurzfristig das Problem mit dem hohen Öl-Preis, an dem sowohl die Saudi-Arabien als auch Russische Föderation und alle andere Öl-Exportierende Länder interessiert sind, lösen werden, was in eine temporäre Korrektur der Öl-Stocks münden dürfte. Aus diesem Grund wäre aus meiner Sicht eine zumindest partielle Gewinnmitnahme mehr als berechtigt. Für den Fall einer signifikanten Korrektur der Öl-Preise Richtung der Marke von etwa 85-80 USD Pro Barrel wäre zugleich eine Re-Entry-Position plausibel, da die langfristige fundamentale Story rund um eine in den kommenden Jahren steigende Öl-Nachfrage, bei einer gleichzeitigen Angebotsverknappung weiterhin vollkommen intakt bleibt. Und so gelangen wir auch schon zu den Top-Öl-Stocks, die man auf der Watchlist haben sollte.
https://viz.traderfox.com/peer-group-tabelle/AN8068571086/DI/schlumberger-ltd-slb/aktien-4068436-22789400-67328-26432874-22561078-27073151-4279525-7871094-20578442
Exploration und Produktion sind sehr profitabel
Den Anfang machen heute Ölfeld-Serviceunternehmen wie Schlumberger (SLB) und Halliburton (HAL). Beide Konzerne verdienen ihr Geld auf allen drei Ebenen des Öl-Trends (Upstream-, Midstream-, Downstream), aber am profitabelsten ist für sie die Exploration und Produktion. Der wichtige langfristige Wachstumstreiber ist hier der angelaufene Ausbau der US-amerikanischen Öl-Förderung. Erinnern Sie sich noch an die im vergangenen Jahr enorm gestiegenen Gewinne bei den Öl-BigCaps wie Chervon (CVX), Exxon (XOM) und Co.? Genau diese Gewinne werden schon bald dafür sorgen, dass diese Unternehmen anfangen, deutlich mehr in die Exploration, Ausbau und Effizienz zu investieren. Und da im Vordergrund mittlerweile die Effizienz und Gewinnsteigerung stehen dürften, wären sie auch nicht abgeneigt, den Digitalisierungsgrad der Öl-Förderung zu erhöhen, was sowohl SLB als auch HAL zusätzliches Geld in die Kassen spülen würde.
Öl-Infrastrukturanbieter
Baker Hughes (BKR) bietet ein Portfolio von Technologien und Dienstleistungen für die Energie- und industrielle Wertschöpfungskette weltweit. Es operiert in zwei Segmenten: Oilfield Services & Equipment und Industrial & Energy Technology. Explizit geht es um Explorations-, Bohr-, Wireline-, Evaluierungs-, Fertigstellungs-, Produktions- und Interventionsdienstleistungen, sowie Druckpumpensysteme, Ölfeld- und Industriechemikalien etc. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Ausrüstung und zugehörige Dienstleistungen für mechanische Antriebs-, Kompressions- und Stromerzeugungsanwendungen in der Öl- und Gasindustrie an. Das Produktportfolio umfasst Pumpen, Kompressoren und schlüsselfertige Lösungen, Ventile, aber auch sensorbasierte Prozessmessung, Zustandsüberwachung sowie Inspektion-Services. Damit bedient das Unternehmen Upstream-, Midstream-, Downstream-, Onshore-, Offshore- und Industriekunden. Es ist also ein typischer Ölfelddienstleister, mit dem man potenziell den Ausbau der US-amerikanischen Öl-Förderung auf der Seiter einer Infrastrukturanbieters spielen könnte.
Der Offshore-Player
Schließlich ist es heute die Aktie von Tidewater (TDW), die aktuell am neuen Allzeithoch notiert. Zu den von Tidewater angebotenen Dienstleistungen gehören das Verschleppen von mobilen Offshore-Bohreinheiten und die Handhabung von Ankern sowie der Transport von Versorgungsgütern und Personal, die für Bohr-, Workover- und Produktionsaktivitäten erforderlich sind. Zu den größten Kunden zählen bekannte Namen wie Chevron und Saudi Aramco. Die aktive Offshore-Support-Schiffsflotte besteht dabei hauptsächlich aus unternehmenseigenen Schiffen mit Ankerziehschleppern (AHTSs) und Plattformversorgungsschiffen (PSVs). Diese werden auch Offshore-Versorgungsschiffen (OSV) genannt. Das Unternehmen zählt zu den größten Betreibern solcher Flotten.
Fazit
Was uns angeht, so präferieren wird in diesem Trend v.a. die Aktien von Schlumberger (SLB) und Hallinurton (HAL), wobei der Unterschied zwischen den beiden BigCap-Unternehmen wirklich minimal ist.
Im Fall einer Offshore-Nischen-Positionierung wären aber die Aktien von Tidewater (TDW), Valaris (VAL) etc. ebenfalls eine sehr interessante Alternative.
Das Wichtigste schein zu diesem Zeitpunkt jedoch das völlig unberechenbare Geopolitische-Momentum zu sein, was den Öl-Preis sowohl Richtung oben als auch Richtung unten bewegen könnte. Aus diesem Grund ist nun eine besondere Vorsicht (inkl. partieller Gewinnmitnahmen) mehr als angebracht.
Viel Erfolg und bleiben Sie Profitabel!
Verantwortlicher Redakteur Kulikov Leonid: keine Eigenpositionen.