HSBC zündet die nächste Stufe ihrer Asienstrategie. Die britische Großbank will die traditionsreiche Hang Seng Bank vollständig übernehmen. Mit dem Milliardenplan setzt Konzernchef Georges Elhedery ein deutliches Signal: HSBC plant, die Kontrolle über ihr Kronjuwel in Hongkong zurückzuerlangen und das Asiengeschäft enger unter ein Dach zu bringen. Nach Jahren des Umbaus und einer klaren Fokussierung auf den Osten soll die Privatisierung der Hang Seng Bank zum zentralen Baustein einer neuen Wachstumsära werden.
Ein Angebot von 11,7 Mrd. Euro und 33 % Aufschlag für die Minderheitsaktionäre
Im Detail sieht das Angebot vor, für jede ausstehende Aktie der Hang Seng Bank einen Kaufpreis von 155 HK-Dollar in bar zu zahlen. Dies ergibt rund 17,13 Euro pro Aktie. Dieser Preis bedeutet einen Aufschlag von rund 33 % gegenüber dem 30-Tage-Durchschnittspreis von 116,5 HK-Dollar (etwa 12,87 Euro). Damit wird der Bank eine Bewertung auf Eigenkapitalbasis von 290 Mrd. HK-Dollar zugeschrieben, was umgerechnet rund 32,0 Mrd. Euro entspricht. Der Gesamtwert des Privatisierungsangebots beziffert sich auf 106 Mrd. HK-Dollar (11,7 Mrd. Euro). Die HSBC zielt darauf ab, die restlichen 36,5 % der Anteile, die ihr noch nicht gehören, zu übernehmen.
Hang Seng Bank-Aktie schießt nach oben, HSBC-Papiere unter Druck
Die Börse reagierte umgehend: Der Kurs der Hang Seng Bank stieg kurzzeitig auf 168 HK-Dollar (etwa 18,57 Euro) und fiel dann auf 150,3 HK-Dollar (etwa 16,64 Euro) zurück – ein Anstieg um rund 26,3 % gegenüber dem vorherigen Schlusskurs. Gleichzeitig geriet die HSBC-Aktie unter Druck und verlor rund 6,2 %.
Elhedery treibt den Konzernumbau mit Fokus auf Asien voran
HSBC unterstreicht, dass die Privatisierung Teil einer umfassenden Neustrukturierung unter CEO Georges Elhedery ist. Der Rückzug aus Bereichen des Investmentbankings in Europa und den USA – insbesondere im M&A- und Eigenkapitalgeschäft – ist bereits angekündigt. Ziel sei ein schlankeres, fokussiertes Geschäftsmodell mit Konzentration auf Asien und den Mittleren Osten. Im Rahmen der Umstrukturierung gelten Einsparpotenziale von mindestens 3 Mrd. USD als Zielgröße. Elhedery hat bereits Initiativen zum Stellenabbau, zur Zusammenlegung von Einheiten und zur Straffung der Kostenstruktur umgesetzt, um HSBC widerstandsfähiger und effizienter zu machen.
Steigende faule Kredite in Hongkong belasten die Bilanz der Hang Seng Bank
Ein zentrales Argument in der Präsentation betrifft die steigenden faulen Kredite der Hang Seng Bank. Diese sollen zuletzt deutlich zugenommen haben, unter anderem durch Schwächen im Immobilienmarkt in Hongkong und China. Der Anteil notleidender Kredite wird mit 6,7 % angegeben – gegenüber deutlich niedrigeren Werten in 2023. HSBC räumt ein, dass eine vollständige Integration und verbesserte Kapitalsteuerung notwendig sind, um solche Risiken künftig zentraler und wirksamer zu steuern.
Aktienrückkäufe pausieren nach Milliardenofferte
Die aktuellen Geschäftszahlen von HSBC selbst zeigen eine gemischte Entwicklung: Im 1. Halbjahr 2025 sank der Gewinn vor Steuern auf 15,8 Mrd. US-Dollar, ein Rückgang von 5,7 Mrd. US-Dollar gegenüber dem Vorjahr. Unter Ausklammerung einmaliger Effekte stieg der Gewinn jedoch leicht. Die Kosten erhöhten sich um 10 % auf 8,9 Mrd. US-Dollar, getrieben durch Restrukturierungsmaßnahmen und höhere Investitionen in Technologie. Für das 2. Quartal 2025 meldete HSBC Kreditverlustbelastungen in Höhe von 1,1 Mrd. US-Dollar, einschließlich Effekten aus dem Immobiliensektor Hongkongs. Nach der Ankündigung der Übernahmepläne pausiert die Bank ihre Aktienrückkäufe vorübergehend, um den Kapitalabfluss aus der Transaktion zu kompensieren.
Ein riskanter, aber strategisch zwingender Schritt in HSBCs Asienneuausrichtung
Das Vorhaben der HSBC ist teuer, riskant sowie strategisch – ein Bekenntnis zur Bedeutung Asiens als Wachstumsmotor und zugleich ein Härtetest für die Kapitalstärke der Bank. Gelingt die Integration, könnte HSBC zu einem der schlagkräftigsten Finanzkonzerne der Region werden. Scheitert sie, droht das Projekt zum Symbol der Risiken zu werden, die im Spannungsfeld von Rendite und Regulierung liegen. Der Ausgang wird entscheidend sein für die Glaubwürdigkeit von Elhederys Umbau – und für den Anspruch der HSBC, die führende Bank des neuen Asienzeitalters zu werden.