Anlagetrend Streaming: Was ist bei Netflix (NFLX) los?
Wird der Konzern zusammen mit Microsoft (MSFT) schon bald eine neue Umsatzquelle erschließen?
Liebe Leser,
das globale Marktgeschehen bleibt weiterhin sehr politisch und lässt sich zu diesem Zeitpunkt kaum prognostizieren. Das größte Problem bleibt weiterhin die Ungewissheit bzgl. der weiter wachsenden Inflation, zukünftigen FED-Politik, aber auch der herrschenden Energiekriese, die sich zumindest in Europa wegen der aktuellen Hitzewelle zu verschärfen droht. Dazu kommen Sorgen wegen den COVID-Lockdowns in China, die aber auch die westliche Welt im Spätherbst treffen könnten. Der aufgeflammte Ukraine-Konflikt rückt, zumindest medial-rhetorisch immer mehr in Hintergrund, was aber nicht heißen soll, dass es auch dieser Front schon bald nicht eskalieren könnte. Zumal man in der westlichen Welt immer noch keine wirksame Lösung gefunden hat, um die Russische Föderation tatsächlich zu stoppen.
All diese Faktoren tragen dazu bei, dass die Investoren und Trader weiterhin sehr passiv bleiben, wobei das Risiko-Appetit sehr gering ist. Frische Impulse und Trendtendenzen erwartet man in dieser Hinsicht aus der neuen Berichtssaison. Sonst gilt es, weiterhin auf fundamental-politische Ereignisse wie die nächste FED-Sitzung Ende Juli und das OPEC+ Treffen im August zu achten. Genau dort werden wichtige Entscheidungen getroffen, die einen bestimmten wirtschaftlichen Impact auslösen könnten. Bis es aber so weit ist, nutzen wir die Zeit und schauen uns heute eine stark abgestrafte Trend-Aktie an, dessen Wachstumsstory noch lange nicht vorbei ist.
Im Fokus steht heute die Aktie des Streaming-Pioniers Netflix (NFLX). Die globale Story, die Streaming-Dienste begleitet, ist allen bestens bekannt. Als Wachstumstreiber fungiert hier die neue (moderne) Art des Entertainment-Konsums. Und die Menschen weltweit stehen aus sowas: man hat die Lust und Zeit, sich endlich eine interessante Serie komplett ohne Unterbrechung am Wochenende anzuschauen, also nimmt man Netflix-Abo und schon geht’s los. Die Filme- und Serien-Bibliothek ist dabei sehr groß und wird ständig erweitert. Genau dafür sind die Menschen bereit, monatliche Abogebühren zu zahlen. Und Netflix hat diese Tendenz sehr früh erkannt und bereits gut monetisiert.
Doch die Konkurrenz zieht nach. Und so sehen wir wie immer mehr Streamingdienste (Disney+, Amazon Prime Video, Apple TV etc. auf den Markt mit einem ebenfalls erstklassigen Film- und Serien-Angebot kommen. Dabei darf man auch die weltweit größte Video-Plattform YouTube nicht vergessen, denn auch diese könnte schon bald auf die Idee kommen, eigenen Streaming-Service auf Abo-Basis im großen Maßstab zu etablieren. Wie man also sehr gut sehen kann, wird diese explizite Monetisierungsmöglichkeit via Abo-Gebühren für alle Trendplayer immer dünner. Und der einzige Ausweg, um weiter im Wachstums-Modus zu verbleiben, wäre die Expansion ins Ausland, was wir aber auch sehr schön an Beispielen von Netflix und Disney+ sehen.
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ABER es existiert noch eine weitere ergiebige Umsatzquellen, die Streamingdienste bis jetzt immer noch nicht angezapft haben. Es ist die In-Stream-Werbung. Denken Sie dabei an das klassische Fernsehen von vor 15-20 Jahren, wobei Filme und Serien alle 20-30 Minuten für eine nervige 2-5-minütige Werbepause unterbrochen wurden. Genau deswegen, weil es nervig war, haben sehr viele Menschen das klassische Fernsehen aufgegeben und stiegen auf Streaming-Dienste um. Und genau aus diesem Grund haben alle Streamingdienst-Anbieter so lange gezögert, um das erstklassige Entertainment-Content durch nervige, aber sehr profitable In-Channel-Werbung zu verdünnen. Man wollte eben die Nutzer nicht verschrecken.
Doch nun, angesichts des wachsenden Konkurrenzkampfs ist die Zeit gekommen, auch diese Monetisierungsquelle im großen Maßstab zu erschließen. Wie es mit der In-Channel-Werbung letztendlich aussehen wird, bleibt fraglich, doch die Tendenz Richtung dieser ergiebigen Umsatzquelle ist eindeutig. Und da Netflix über eine sehr große Nutzerbasis verfügt, ist es auch plausibel anzunehmen, dass der Konzern schon bald seine operativen Ergebnisse deutlich verbessern könnte. Und diese Überlegung basiert auf der folgenden Annahme.
Netflix (NFLX) plant, in den kommenden Monaten eine werbefinanzierte Version seines Dienstes in den USA zu starten. Es wird davon ausgegangen, dass der Umsatz des Unternehmens in der Region dank Werbung um mehr als 20 % steigen wird. Ursächlich für diesen Schritt war im Großen und Ganzen das schwache Resultat des vergangenen Quartals, wobei die Aktie sehr stark abgestraft wurde. Damals kündigte Netflix zum ersten Mal seit zehn Jahren einen Abfluss von Abonnenten an. Gleichzeitig prognostiziert das Management, dass im laufenden Quartal, dessen Ergebnisse am 19. Juli vorgestellt werden, die Abo-Basis um weitere 2 Millionen Nutzer schrumpfen wird.
Zu den Gründen, die Netflix anführt, gehören u.a. die Unterbrechung der Lieferketten und die damit verbundene Absatzverlangsamung bei der SmartTVs; Rückzug aus einigen Märkten (Russische Föderation), sowie das Fehlen von Beschränkungen für die Übertragung eines aktiven NFLX-Kontos an Dritte. An dieser Stelle muss man anmerken, dass gegen den letzten Negativfaktor Netflix bereits mehr oder weniger erfolgreich vorgeht. Nach und nach hört das Unternehmen in bestimmten Regionen auf, die technische Fähigkeit zur Übertragung des Kontos an bekannte, Freunde etc. zu unterstützen. Stattdessen bietet man bessere Tarife, oder Tariferweiterungen an, mit denen man ganz legal weitere 1-2 Nutzer von außerhalb der Familie zu Ihrem Netflix-Profil hinzufügen können. Und es wird mittlerweile davon ausgegangen, dass es bereits in einigen Quartalen schon möglich sein wird, die ersten Ergebnisse dieser Initiative zu sehen und entsprechen zu bewerten.
Aber die wichtigste Änderung, die dazu beitragen wird, die Einnahmen von Netflix zu steigern, ist das neue Produkt-Angebot rund um eine werbefinanzierte Version des Videodienstes. Das Unternehmen befand sich zuletzt in Gesprächen mit einer Reihe potenzieller Werbepartner und arbeitet auch daran, eine Führungskraft einzustellen, die die Werbe-Anzeigen verwaltet. Nach verschiedenen Schätzungen kann Netflix aufgrund von Werbung zusätzliche Einnahmen in Höhe von 2,5 Mrd. USD erzielen, was den Gesamtumsatz in den Vereinigten Staaten um mehr als 20 % steigern wird. Geplant ist das Werbefinanzierte Angebot zunächst in den USA zu starten, aber später wird das Unternehmen in der Lage sein, diese Erfahrung auf andere Regionen weltweit zu übertragen. Und genau dies ist die mittelfristige Wachstumsstory.
Um richtig schnell bei dieser Angelegenheit voranzukommen, hat sich Netflix für eine Partnerschaft im Bereich Werbung mit dem IT-Riesen Microsoft (MSFT) entschieden. Ausschlaggebend für diese Wahl war wohl zunächst das Fehlen eines Interessenkonflikts, wie es bei anderen Tech-Unternehmen der Fall ist, die ihre eigenen Streaming-Dienste haben. Gleichzeit ist aber auch das technologische Knowhow von Microsoft und v.a. seine starke Internationale Präsenz, was im Fall einer aggressiven Expansion des werbefinanzierten NFLX-Angebots eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Microsoft und Netflix werden dabei in einer ganz neuen technologischen Richtung für den Streaming-Dienst-Trend zusammenarbeiten - das Werbegeschäft. Und des könnte im Laufe der Kooperation im BestCase zur Entstehung von neuen Initiativen führen. In naher Zukunft beabsichtigt man jedoch zunächst, eine Version des NFLX-Streaming-Dienstes mit Unterstützung für Werbung auf den Markt zu bringen, bei der die Kompetenzen von Microsoft im Bereich der Werbetechnologie sowie in Vertrieb und Marketing voll ausgeschöpft werden sollen. Dies ist verständlich, denn NFLX ist zunächst darauf bedacht schnelle Versbesserungen bei den operativen Ergebnissen zu erzielen und somit die Investoren zufriedenzustellen.
Microsoft wird dabei seine bereits vorhandene Expertise im Werbe-Geschäft (explizit geht es um das Knowhow rund um die Suchmaschine Bing und MSN-Portal) als Basis nutzen und sinnvoll erweitern. Darüber hinaus wird die jüngste Übernahme von Xandr einige wichtige Werbetechnologien für das vernetzte Fernsehen bereitstellen. Xandr bietet ja eine globale Supply- und Demand-Side-Technologie und ist im Markt äußerst gut vernetzt. Das Unternehmen legt einen starken Fokus auf Video- und TV-Werbung, was es zum geeigneten Kandidaten für den NFLX-MSFT-Kooperations-Job macht.
Was Microsoft angeht, so ist diese Kooperation auch für ihn vom großen Interesse. Das Unternehmen betreibt ja ein bedeutendes Werbegeschäft, obwohl sein Jahresumsatz von 10 Mrd. USD nicht mit den Werbeeinnahmen von Tech-Giganten wie Google oder Meta Platforms vergleichbar ist. Und daher ist es plausibel anzunehmen, dass eine erfolgreiche Kooperation mit NFLX für MSFT im schnell wachsenden Markt für digitale In-Channel-Werbung sich letztendlich als ein echter Wachstumstreiber herausstellen würde. Für Microsoft ist es vor allem wichtig, in den wachsenden Markt der Werbung in Streaming-Diensten relativ früh einzusteigen. Und daher ist es eine gleichwertige Win-Win-Situation für beide Tech-Konzerne.
Was Netflix angeht, so wird hier wohl alles davon abhängen, wie aggressiv das Unternehmen letztendlich vorgehen wird. Das Wichtigste ist hier, die NFLX-Nutzer nicht zu verschrecken, denn sonst werden sie zur Konkurrenz wie Disney+ etc. abwandern, die ihr Streaming-Angebot weniger mit Werbung verdünnt. Die Chancen an zusätzliche Einnahmen ranzukommen sind hier aber groß und überwiegen aus meiner Sicht im Großen und Ganzen die Risken einer viel zu aggressiven In-Channel-Werbung-Politik. Dafür sprechen u.a. Umfragen, die darauf hindeuten, dass es insgesamt eine große Nutzerakzeptanz gegenüber der In-Channel-Werbung bei den Streamingdiensten herrscht.
Hier sollte also Netflix eher mit Fingerspitzengefühl vorgehen und eine echte Alternative-Abo-Möglichkeit bieten. So sind laut dem Streaming Wars Report des US-amerikanischen Technologieunternehmens Integral Ad Science (IAS) bspw. rund 78 % der Deutschen generell dazu bereit, Werbung anzuschauen, um so Zugang zu kostenlosen Streaming-Inhalten zu erhalten. Dies deckt sich auch mit Ergebnissen anderer Studien. Ein anderer Werbespezialist Magnite kommt dabei zum Schluss, dass 77 % der Nutzer Werbung im Streaming-Umfeld akzeptieren würden, wenn sie dafür keine oder geringere Gebühren zahlen müssten. Und an dieser Stelle wird die vorteilhafte Tendenz für Netflix-Vorhaben (ein günstigeres, werbefinanziertes Abo-Angebot) sehr gut sichtbar.
Und so gelangen wir zum Schluss zu der Annahme, dass die Kooperation zwischen Netflix und Microsoft deutlich mehr Chancen offenbart als Risiken birgt. Zumal die allgemeine Wachstumsstory rund um den globalen Streaming-Dienst-Trend weiterhin vollkommen intakt bleibt. Selbstverständlich könnte es zu den Verzögerungen kommen, doch dies dürfte im Großen Und Ganzen den globalen Umstieg auf werbefinanzierte Streaming-Angebote weltweit lediglich verlangsamen, aber auf keinen Fall stoppen.
Das Wichtigste wird dabei sein, den neuen Kunden eine echte, vorteilhafte Alternative zu einem teureren werbefreien Abo-Tarif anzubieten. Sollte man diese Frage auf der psychologischen Ebene marketing-technisch erfolgreich lösen, so wäre der nächste Schritt die internationale Expansion, eines günstigeren werbefinanzierten Abonnements. Und dies wäre u.a. ein echter Wachstumsreiber v.a. in den Regionen wie Afrika, Lateinamerika, Asien, Indien, Osteuropa etc. mit einem niedrigeren Wohlstand; also ganz einfach dort, wo die Menschen sich bis zuletzt kein teureres NXFL-Abo leisten konnten, oder wollten. Genau dies ist die langfristige Story, die ich persönlich mit einer kleinen NFLX-Position spiele.
Viel Erfolg und bleiben sie Profitabel!
Verantwortlicher Redakteur Kulikov Leonid: besitzt derzeit Aktien von Netflix (NFLX), die im Text mitangesprochen wurden.