Biogen Inc.: „Damit werden wir Alzheimer besiegen“: Das Alzheimer- Präparat Leqembi könnte der Aktie von Biogen zu früherem Glanz verhelfen

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Der auf neurologische und immunologische Erkrankungen spezialisierte Biotechnologiekonzern Biogen versetzte die Welt mit der Einführung des Alzheimer-Präparates Leqembi in Staunen. Doch bisher haben sich die an das Medikament geknüpften ökonomischen Erwartungen nicht erfüllt. Wenn aber die für die Gabe des Medikamentes erforderliche Infrastruktur ausgebaut werden sollte, könnte Biogen wieder an seine früheren Erfolge anknüpfen.

Betrachtet man den Chart der Aktie von Biogen im Verlauf der letzten zehn Jahre, so kann einem leicht schwindlig werden. Reichte das Papier 2015 noch an die Marke von 438 Euro heran, so notiert es nun zu Jahresbeginn bei gut 150 Euro. Doch diese sehr langfristige Abwärtsbewegung wurde immer wieder von gewaltigen Aufschwüngen durchbrochen und just in diesen Tagen des noch jungen Jahres könnte sich eine zaghafte Trendwende abzeichnen.

Biogen ist ein Global Player in der Forschung zu immunologischen und neurologischen Erkrankungen

Biogen ist ein global tätiges Biotechunternehmen, dessen Pipeline Wirkstoffkandidaten in den Bereichen Immunologie, Neurologie, Neuropsychiatrie und seltene Erkrankungen umfasst. Die bekanntesten Krankheiten, zu denen Biogen forscht, sind die Multiple Sklerose und die Alzheimer-Krankheit. Die anderen Schwerpunkte des Portfolios von Biogen fokussieren seltene Erkrankungen. In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Kumuliert ergibt dieser Parameter jedoch, dass allein in Deutschland 3-4 Millionen Menschen unter einer seltenen Krankheit leiden.

Ein Beispiel hierfür ist die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Diese Krankheit wurde einer breiteren Öffentlichkeit im Jahr 2014 durch die Ice Bucket Challenge bekannt gemacht. Dabei übergossen sich Prominente mit eiskaltem Wasser, um für einen Moment die Lähmung verspüren zu müssen, die von ALS Betroffene empfinden, und spendeten danach an die ALS-Stiftung. Eine derartige Aufmerksamkeit erfuhren die Spinale Muskelatrophie (SMA) und die Friedreich-Ataxie (FA) bisher nicht. Biogen versucht, beide nicht nur besser bekämpfen zu können, sondern auch mithilfe eines Patientenportals über die Erkrankungen sowie Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Alle Forschungsansätze und Wirkstoffe werden durch das Ziel verbunden, die spezifischen Leiden in Zukunft mit einer digitalisierten Medizin personalisierter und zielgerichteter behandeln zu können.

Mit Skyclaris entwickelt Biogen das erste Medikament gegen die Friedreich-Ataxie

Als Ataxie bezeichnet man eine Reihe von seltenen Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarks, bei denen die Koordination verschiedener Muskelgruppen gestört ist. Ataxien können erworben oder genetisch bedingt sein und in jedem Lebensalter auftreten. In Deutschland sind circa 16.000 Menschen betroffen. Die häufigste der erblichen Ataxien ist die Friedreich-Ataxie, unter der weltweit etwa 15.000 Menschen leiden. Im Verlauf der Erkrankung benötigen viele Patienten Gehhilfen und sind 10 bis 15 Jahre nach der Diagnose auf einen Rollstuhl angewiesen. Gegen die Friedreich-Ataxie setzt Biogen das Medikament Skyclarys ein, das seit kurzem als einzige Behandlung für Patienten mit dieser Krankheit zugelassen ist. Biogen kann diesen Wirkstoff vermarkten, weil das Unternehmen 2023 seinen Entwickler, die Reata Pharmaceuticals für 7,3 Mrd. USD übernommen hat. Der weltweite Nettoumsatz betrug in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 zwar nur 102 Mio. USD, dürfte aber steigen. Das Management von Reata geht vom Erreichen der Schwelle von 1 Mrd. USD im Jahre 2026 aus.

Es bleibt zu bedenken, dass der Einsatz des Medikaments vorerst nur auf wohlhabendere Nationen beschränkt bleiben könnte, da eine Packung circa 30.000 Euro kostet. Der Wirkstoff kann die Progression der Krankheit für die Patienten, deren Lebenserwartung ohne Behandlung bei 37 Jahren liegt, erheblich verzögern und ihre Alltagskompetenz verbessern. Zur Alltagskompetenz gehören Fähigkeiten, die für gesunde Menschen selbstverständlich sind, so beispielsweise die Bedienung des Smartphones, Zähne putzen oder gehen.

Spinraza erhöht die Lebenserwartung von unter Spinaler Muskelatrophie leidenden Patienten

Die Spinale Muskelatrophie ist eine Motoneuronenerkrankung, das heißt eine Erkrankung bestimmter Nervenzellen im Rückenmark. Diese Nervenzellen leiten Impulse an die Muskulatur weiter, die für die willkürlichen Bewegungen wie Krabbeln, Laufen und die Kopfkontrolle zuständig sind. Wird die seltene, genetisch bedingte Erkrankung nicht behandelt, führt sie mit der Zeit zum Verlust der Muskelkraft wie der Bewegungsfähigkeit und manchmal sogar zum Tod. Lange Zeit konnte man der Erkrankung nichts entgegensetzen. 2016 erhielt Biogen für die erste Therapie in den USA die Zulassung, die Europäische Union folgte 2017. Das Medikament trägt den Namen Spinraza und erhöht bei rechtzeitiger Applikation die Lebenserwartung wie die motorischen Fähigkeiten der Patienten. Die Behandlung mit Spinraza kostet circa 300.000 Euro pro Jahr.

Diese Summe erklärt sich dadurch, dass sich die umfangreichen Entwicklungskosten nur bei einem hohen Preis aufgrund der Seltenheit der Erkrankung amortisieren. Mittlerweile sind zwei Konkurrenzprodukte – Zolgensma (Hersteller: Novartis) und Ridisplam (Hersteller: Roche) – auf dem Markt. Die Unterschiede zwischen Ridisplam und Spinraza gelten in der Fachliteratur als nicht signifikant. Zolgensma, das mit einem Preis von circa 2 Mio. Euro derzeit teuerste Medikament am Markt, wird vornehmlich gegen die schwerste Form der angeborenen Muskelatrophie eingesetzt.

Qalsody ist das erste Präparat, das gezielt gegen eine bestimmte Ursache der Amyotrophen Lateralsklerose gerichtet ist

Bei der Amyotrophen Lateralsklerose handelt es sich um eine fortschreitende neurodegenerative Krankheit, die zum Niedergang von Motoneuronen führt. Die Betroffenen verlieren sukzessive die Fähigkeit zu sprechen und letztlich auch die Fähigkeit zu atmen. Weltweit sind schätzungsweise 352.000 Menschen erkrankt. Die Forschung geht davon aus, dass mehr als 20 Gene an der Entstehung der Krankheit beteiligt sind. Die Heterogenität der Erkrankung hat es bisher verhindert, dass ein allgemeiner Test entwickelt werden konnte. Das Medikament von Biogen, das gegen diese Krankheit jüngst zugelassen wurde, wird unter dem Namen Qalsody vermarktet. Es kann den Verlauf verzögern und ist das erste Medikament gegen diese Krankheit, das gezielt gegen eine bestimmte Ursache der ALS gerichtet ist. Für Prof. Dr. Thomas Meyer, Leiter der ALS-Ambulanz der Charité-Universitätsmedizin Berlin, stellt dies "einen wissenschaftlichen Durchbruch [dar], der als historisch zu betrachten ist."

Im Kampf gegen Multiple Sklerose hat Biogen fünf Medikamente entwickelt

Die drei beschriebenen Erkrankungen treten sehr selten auf, weshalb die gegen sie wirkenden Medikamente oft einer ‚Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen‘ unterliegen. Dies besagt, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis als positiv erachtet werden kann, ohne dass aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen unter normalen Umständen ausreichende Evidenz gewonnen werden kann. Diese Überlegung hat auch einen ökonomischen Aspekt. Die bisher beschriebenen Medikamente sind sehr teuer und es ist fraglich, ob sich mit ihnen perspektivisch große Gewinne erzielen lassen.

Biogen aber ist auch in der Forschung nach Arzneimitteln gegen zwei weitaus häufigere Erkrankungen tätig. So gehört das Unternehmen im Kampf gegen die Multiple Sklerose zu den Pionieren. Seit 40 Jahren versucht Biogen dem Ziel, die Krankheit eines Tages heilen zu können, näher zu kommen. Multiple Sklerose ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems, deren Verlaufsformen stark differieren. Die Folgen können körperliche wie kognitive Behinderungen sein. Das durchschnittliche Alter bei der Diagnose liegt bei 30 Jahren, Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Medikamenten, Biogen hat fünf von ihnen und eine symptomatische Therapie des Krankheitsverlaufs entwickelt.

Aduhelm gilt als Durchbruch in der Alzheimer-Forschung

Der spektakulärste Durchbruch gelang Biogen aber 2021 mit der Zulassung des Alzheimer-Medikamentes Aduhelm, das später von Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) abgelöst wurde. Der in Aduhelm enthaltene Wirkstoff Aducanumab ist ein so genannter monoklonaler Antikörperwirkstoff, der gezielt gegen aggregiertes, also verklumptes Beta-Amyloid gerichtet ist. Es sind die Aggregate dieses Proteins, die für die Destruktion der Hirn-Nervenzellen bei Alzheimer-Patienten verantwortlich gemacht werden.

1984 hatten die Biochemiker George Clenner und Caine Wong das Beta-Amyloid in den Blutgefäßen des Gehirns entdeckt. Ein Jahr später gelang es dem Australier Colin L. Masters und dem Deutschen Konrad Beyreuther, erstmals die Beta-Amyloid-Plaques zwischen den Nervenzellen zu isolieren. Damit war der Grundstein für die Forschung gelegt, die in die heutigen monoklonalen Antikörper mündete. Monoklonale Antikörper sind künstlich hergestellte Abwehrstoffe, die die Funktion körpereigener Antikörper imitieren. Sie heften sich spezifisch an bestimmte Erreger oder schädliche Proteine und aktivieren so das Immunsystem, diese zu bekämpfen. Aduhelm bindet das schädliche Amyloid und kann so seine Präsenz im Gehirn reduzieren. Durch den Abbau dieser Plaques sollen die kognitiven Fähigkeiten der Patienten länger aufrechterhalten werden.

Die Entwicklung solcher Antikörpermedikamente gilt als Durchbruch in der Alzheimer-Forschung, weil sie gegen eine physiologische Ursache wirksam sind. Mit den vorher zugelassenen Medikamenten wie beispielsweise Metamine von Merz gelang es nur, die Symptome der Alzheimer-Krankheit zu behandeln. Die Aktie von Biogen schoss nach der Zulassung von Aduhelm um bis zu 60 % nach oben. Da das Präparat jedoch in der entscheidenden Studie vor der Zulassung teilweise eine Verbesserung, aber partiell auch eine Verschlechterung der Symptome ergeben hatte, entschieden sich Biogen und sein japanischer Partner Eisai, das Medikament vom Markt zu nehmen.

Leqembi ist die Hoffnung für Millionen Alzheimer-Patienten

Die Forscher von Eisai und dem schwedischen Pharmaunternehmen BioArctic hatten jedoch in Kooperation miteinander ihre Schlüsse gezogen und auf der Basis von Aduhelm das Präparat Leqembi entwickelt. 2023 wurde Leqembi in den USA und im November 2024 auch in der EU zugelassen. Zudem wird es in England, Schottland und Wales, China, Hongkong, Südkorea und Israel vertrieben. Schon 2023 erwarteten einige Analysten, dass 2028 ein weltweiter Umsatz von 12,9 Mrd. USD erreicht werde. Eisai selbst prognostizierte für 2030 einen globalen Umsatz von 7,3 Mrd. USD. Daran gemessen nehmen sich die tatsächlichen Zahlen recht bescheiden aus. Der weltweite Umsatz betrug vor kurzem 67 Mio. USD und in den USA 39 Mio. USD. Das Hauptproblem besteht momentan darin, dass in keinem der Länder, in denen Leqembi zugelassen ist, die Kapazitäten bei den Ärzten noch die Infrastruktur gegeben ist, um die Therapie mit Leqembi in Bezug auf die unerwünschten Nebenwirkungen zu überwachen.

So gibt es beispielsweise in Japan eine Million Patienten, die für die Behandlung mit Leqembi in Frage kämen, therapiert werden derzeit aber nur 4.500. In Deutschland verfügen bisher nur die Charité in Berlin sowie die Unikliniken Düsseldorf und Köln über entsprechende Stationen, auf denen die Patienten die Infusion mit den Antikörpern erhalten können. Hinzu kommt, dass % der an Alzheimer Erkrankten noch unter weiteren Formen der Demenz leiden. Bei diesen wirken die Antikörper nicht so gut, weil sie nur den Alzheimer-Teil der Demenz behandeln können. Bei den Patienten, die reinen Alzheimer haben, wirkt Leqembi jedoch sehr gut. Mittlerweile ist ein weiteres Medikament, das Alzheimer mit monoklonalen Antikörpern bekämpft, auf dem Markt. Es trägt den Namen Kisunla (Wirkstoff: Donanemab) und wurde von Eli Lilly entwickelt. Kisunla ist bisher nur in den USA und Großbritannien zugelassen. Biogen selbst vermeldete, dass die Aufnahme von Leqembi in den USA bisher "unter den Erwartungen" der Zusammenarbeit mit Eisai liege. Alle Gewinne und Kosten, die durch Leqembi entstehen, werden paritätisch zwischen den beiden Unternehmen geteilt. Schaut man sich die Aufstellung der momentanen, auf Leqembi bezogenen, Einnahmen und Ausgaben an, so zeigt sich, dass Leqembi pro Quartal 270 Mio. USD einspielen muss, damit das Präparat profitabel wird.

Biogen könnte in den nächsten Jahren erheblich von Leqembi profitieren

Medikamente wie Skyclarys, Spinraza und Qalsody werden Biogen aller Wahrscheinlichkeit zufolge keine großen Gewinne einbringen. Die Erkrankungen, bei denen sie eingesetzt werden, sind selten und der Preis der jeweiligen Präparate ist sehr hoch. Beide Faktoren sprechen gegen eine weite Verbreitung dieser Medikamente. Der Markt für Präparate gegen Multiple Sklerose ist umkämpft und Biogen musste für diesen Bereich im 3. Quartal 2024 einen Umsatzrückgang von 9 % bekanntgeben.

Konrad Beyreuther gibt in Bezug auf die Einführung von Leqembi aber zu bedenken, dass es bei Statinen, also Cholesterinsenkern, damals gut zehn Jahre von der Zulassung Mitte der Achtzigerjahre gedauert hat, bis sie in der Breite eingesetzt wurden. Der Forscher rechnet für die Alzheimer-Antikörper mit einem vergleichbaren Zeitraum. Er sieht die Zukunft von Leqembi sehr positiv: "Ich glaube, das ist es, die Antikörper. Damit werden wir Alzheimer besiegen." Viele Firmen arbeiten derzeit zudem an einer Art Shuttle, mit dem die Antikörper gegen die Alzheimer-Plaques leichter vom Blut ins Gehirn gelangen können. Dann könnte man sie niedriger dosieren, sodass sie weniger Nebenwirkungen hervorrufen würden. Im letzten Geschäftsjahr ist der Umsatz von Biogen um 3,3 % von 10,2 Mrd. USD auf 9,8 Mrd. USD gefallen. Der Gewinn ging von 3,0 Mrd. USD auf 1,2 Mrd. USD um 61,9 % zurück. Die am 30.10.2024 vermeldeten Q3-Zahlen wiesen einen Umsatzrückgang um 2,5 % auf 2,5 Mrd. USD, aber eine Steigerung des Gewinns auf 388,5 Mio. USD (Vorjahr: -68,1 Mio. USD) aus. Das KGV von Biogen beträgt 17,6 und das KUV liegt bei günstigen 2,1.

Quelle: Qualitäts-Check TraderFox

Fazit

Wenn die Infrastruktur für die Verabreichung von Leqembi in den nächsten Jahren aufgebaut werden und sich Leqembi als am wirksamsten gegen Alzheimer erweisen sollte, dann könnte man ein solches Szenario als Bullcase für die Aktie werten. Langfristig orientierte Anleger sollten sowohl die infrastrukturelle Entwicklung für die Gabe von Leqembi als auch den Chartverlauf des Papiers im Auge behalten. Momentan sollte man ein Engagement in Biogen zwar nur mit Vorsicht erwägen. Sollte sich Biogen jedoch der Markt für die Behandlung von Alzheimer erschließen, stünde die Aktie vor einer fundamentalen Neubewertung.

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