Warren Buffett, das Orakel von Omaha, hat lange Zeit ein Geheimnis um drei seiner jüngsten Aktienpositionen gemacht. Möglich wurde das, weil er eine spezielle Ausnahmeregelung der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC nutzte, die ihm erlaubte, die Veröffentlichung seiner Käufe temporär zu verschieben. Dieses Vorgehen war strategisch: Es sollte verhindern, dass andere Investoren davon Wind bekommen und den Preis in die Höhe treiben.
Nun ist die Katze aus dem Sack: Die heimlichen Zukäufe bei Nucor, D.R. Horton und Lennar zeigen, dass Buffett eine Wette auf die Grundpfeiler der amerikanischen Wirtschaft eingeht. Er scheint dabei darauf zu setzen, dass die aktuellen Regierungsprogramme und die Zinspolitik für die von ihm gewählten Branchen von Vorteil sind und die Gewinne in den kommenden Jahren ankurbeln werden.
Nucor: Stahlproduzent mit Substanz
Nucor Corp. (ISIN: US6703461052) ist einer der größten und vielseitigsten Stahlproduzenten in Nordamerika. Das Unternehmen stellt Stahl für alles Mögliche her, von Bürogebäuden und Brücken bis hin zu Haushaltsgeräten und Autos. Was Nucor von vielen Konkurrenten abhebt, ist seine innovative Produktion: Statt traditioneller Hochöfen verwendet Nucor überwiegend Elektrolichtbogenöfen (EAFs), die mit recyceltem Schrott betrieben werden. Das macht die Produktion nicht nur energieeffizienter und umweltfreundlicher, sondern auch deutlich flexibler, um schnell auf Nachfrageschwankungen reagieren zu können.
Aus Buffetts Sicht dürfte Nucor ein klassisches Beispiel für ein werthaltiges, aber auch zyklisches Geschäft sein, das er versteht. Er wettet auf die langfristige Stärke der amerikanischen Infrastruktur und des Bauwesens, die durch fortgesetzte staatliche Investitionen zusätzlich angekurbelt werden. Auch die protektionistische Handelspolitik, die heimische Produzenten durch hohe Zölle auf ausländische Stahlimporte schützt, schafft ein vorteilhaftes Umfeld, das er für seine Investitionen nutzt, auch wenn er selbst wirtschaftspolitisch gesehen nicht auf Protektionismus setzt.
Die Aktie wird oft mit einem niedrigeren KGV gehandelt als der breite Markt, weil Anleger aufgrund der Zyklizität des Geschäfts vorsichtig sind. Buffett kauft jedoch vermutlich in der Erwartung, dass der Markt den wahren Wert des Unternehmens in den kommenden Jahren wieder mehr als aktuell anerkennen wird. Die größte Schwäche des Unternehmens ist seine Abhängigkeit von der allgemeinen Konjunktur.
D.R. Horton: Marktführer im Traum vom Eigenheim
D.R. Horton Inc. (ISIN: US23331A1097) ist das größte Wohnungsbauunternehmen in den USA und ist für den Bau und Verkauf von Einfamilienhäusern und Mehrfamilienhäusern bekannt. Das Unternehmen konzentriert sich vor allem auf den Massenmarkt und bietet eine große Bandbreite an Eigenheimen für eine breite Käuferschicht an.
Was D.R. Horton für Buffett so attraktiv macht, ist seine massive Größe. Als der größte Wohnungsbauer in den USA kann das Unternehmen Land zu besseren Preisen sichern und genießt Skaleneffekte, die kleinere Konkurrenten nicht haben. Es ist eine Wette auf den "American Dream" vom Eigenheim, die durch die jüngsten Zinssenkungen der US-Notenbank Fed zusätzlich Rückenwind bekommt. Das macht den Hauskauf für potenzielle Käufer wieder erschwinglicher.
Für Buffett dürfte die gestärkte Bilanz nach der Finanzkrise von 2008 besonders attraktiv sein, da das Unternehmen deutlich konservativer aufgestellt und weniger verschuldet ist. Er sieht hier die Chance, dass die derzeit günstige Bewertung der Aktie in Zukunft steigen könnte, wenn sich der Markt an die verbesserten Fundamentaldaten gewöhnt. Die größte Gefahr für D.R. Horton sind aber weiterhin steigende Hypothekenzinsen.
Lennar: Die kluge Wette auf Flexibilität
Lennar Corp. (ISIN: US5260571048) ist ein weiterer Gigant im US-amerikanischen Wohnungsbau und der direkte Konkurrent von D.R. Horton. Auch Lennar baut und verkauft Häuser, hat sich aber stärker auf den "Luxury"- und "Move-up"-Markt konzentriert, also auf Käufer, die sich ein größeres oder besser ausgestattetes Haus leisten können.
Lennar dürfte für Buffett aus ähnlichen Gründen wie D.R. Horton interessant sein. Was Lennar jedoch besonders auszeichnet, ist ihre "Land-light"-Strategie. Anstatt riesige Landmengen direkt zu kaufen, sichern sie sich Kaufoptionen auf Grundstücke. Dieses Vorgehen minimiert den Kapitalbedarf und reduziert das Risiko erheblich, falls die Nachfrage einbricht. Auch Lennar hat eine solide Bilanz und einen hervorragenden Ruf für effiziente Abläufe und hohe Profitabilität. Sie haben sich als Meister der Kostenkontrolle erwiesen und können daher auch in einem anspruchsvollen Marktumfeld starke Margen erzielen.
Die Aktie ist insbesondere dann als günstig bewertet einzustufen, wenn es wie vom Analystenkonsens unterstellt gelingt, nach einem deutlichen Dämpfer in diesem Jahr die Gewinne künftig wieder spürbar zu verbessern, denn das scheint aktuell noch nicht komplett eingepreist zu sein. Allerdings ist auch Lennar extrem zinssensibel, was die größte Schwäche sein dürfte. Ein zinsbedingter Rückgang bei der Kundennachfrage würde natürlich auch die Gewinne von Lennar schmälern.
Fazit: Mit diesen drei Zukäufen positioniert sich Buffett an der Basis der US-Wirtschaft. Er setzt nicht auf die neueste Technologie oder Kryptowährungen, sondern auf altmodische Geschäfte, die er in- und auswendig versteht: den Bau von Häusern, in denen Amerikaner leben, und die Herstellung von Stahl, den sie für ihre Infrastruktur brauchen.
Wir sind gespannt, ob Buffett mit diesen drei Investments wieder einmal sein einzigartiges Geschick unter Beweis stellen kann, in grundsolide Unternehmen zu investieren, die der Markt im Moment verkennt, aber deren grundsätzlich vorhandenes Potenzial, langfristig gesehen wieder einmal zu überdurchschnittlich guten Performance-Ergebnissen führen wird.
Um dies zu schaffen, müsste das Trio übrigens nur seine eigene Historie fortschreiben. Denn allen drei Titeln ist es in den vergangenen Jahren trotz einiger stärkerer Schwankungen gelungen, ihre Aktienkurse stark nach oben zu schrauben.