TraderFox-Travel-Scout: Beobachtungen aus Hong Kong (Teil 1)
Man kann ja als TraderFox-Mitarbeiter durchaus in den Urlaub fahren, um mal komplett von der Arbeit und dem Börsengeschehen abzuschalten. Doch die Realität sieht anders aus. Man wird im Urlaub ganz schnell zum TraderFox-Travel-Scout, weil man ja seinen Kopf nicht einfach zu Hause vor dem Rechner liegen lassen kann.
Kaum war der Jetlag nach dem Flug nach Hong Kong verdaut, drängt sich eine erste Beobachtung massiv auf. In Hong Kong scheint es eine extrem hohe Anzahl von Tesla-Fahrzeugen zu geben. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, dass ich 2014 in Hong Kong zum ersten Mal ein Tesla Model S in "freier Wildbahn" gesehen habe. Aber jetzt? Man kann sich in Central, Sheung Wan, Causeway Bay, Tsim Sha Tsui und Mong Kok an jede beliebige Straßenecke stellen und innerhalb weniger Minuten kommen so viele Model S und X an einem vorbeigefahren, dass man das gar nicht glauben kann.
Komplett surreal war es, in der Wan Chai Road an einem Abend vor den ganzen Metzgerläden und Lebensmittelshops auf einer Strecke von 250 m an gleich 3 Teslas am Straßenrand vorbeizugehen und in den paar Minuten, die man für die 250 m zum Entlangschlendern braucht dann noch von 3 weiteren Model S oder X überholt zu werden.
Tesla-Fahrzeuge in der Wan Chai Road in Hong Kong
Eine Erklärung für dieses Phänomen dürfte natürlich die extrem hohe Millionärsdichte in Hong Kong sein. Laut Businessinsider soll von den rund 7,4 Mio. Einwohner der Stadt jeder Siebte ein Millionär sein. Aber der wahre Grund für die Beliebtheit von Tesla-Fahrzeugen in Hong Kong dürfte ein anderer sein. Der Kauf von Elektrofahrzeugen wurde lange steuerlich extrem begünstigt. Man muss wissen, dass der Kauf eines Autos in Hong Kong extrem kostspielig wird durch eine Steuer, die bei der Zulassung des Fahrzeugs fällig wird. Diese First Registration Tax (FRT) kann den Kaufpreis eines Fahrzeuges gut und gerne verdoppeln. Die FRT ist nicht nur eine Gelddruckmaschine der Behörden, sondern ein gezielt eingesetztes Mittel, um die Anzahl der Zulassungen in der Stadt zu begrenzen. Warum erklärt sich wohl von allein, wenn man am Verkehr teilnimmt. Staus sind die Normalität nicht die Ausnahme.
Im Jahr 2016 führte die Befreiung von Elektrofahrzeugen von dieser FRT dazu, dass Tesla rund 6.000 Model S und X in Hong Kong absetzen konnte. Wer genau nachrechnet, der sieht, dass Tesla damit mindestens 7 % der gesamten Produktion in dem Jahr nach Hong Kong verschiffte. Anfang 2017 schossen die Absatzzahlen komplett durch die Decke. In den ersten 3 Monaten wurden 3.700 Tesla-Fahrzeuge in Hong Kong verkauft. Dieser Nachfrageboom hatte einen guten Grund. Am 1. April endete die steuerliche Bevorzugung von Elektrofahrzeugen. Wer einen Tesla oder ein anderes E-Auto wollte (aber daran hatte kaum jemand ein Interesse – alle wollten noch schnell einen Tesla S oder X kaufen), der orderte sein Fahrzeug in den Monaten Januar bis März. Denn die Steuerersparnis konnte man so gut für den Kauf eines Parkplatzes nutzen. Für den Abstellplatz kann man in Hong Kong auch schon mal bis zur 75.000 Euro berappen.
Wie ging es mit den Tesla-Verkäufen in Hong Kong nach dem 1. April 2017 weiter? Überspitzt gesagt: gar nicht. Der Verkauf brach auf null Fahrzeuge ein. Schön zusammengefasst wird diese Entwicklung in einem Beitrag von Andreas Donat auf golem.
Inzwischen hat sich die Erkenntnis auch in Hong Kong durchgesetzt, dass sich Elektrofahrzeuge ohne großen finanziellen Anreiz noch nicht wie gewünscht verkaufen lassen – hohe Millionärsdichte hin oder her. Nach einem Jahr, in dem kaum noch ein Elektrofahrzeug verkauft wurde, hatte die Regierung die Rückkehr der Subventionen angekündigt – allerdings in deutlich abgespeckter Version. Die Kosten für einen neuen Tesla reduzieren sich nun nur noch um rund 12.000 USD oder um 32.000 USD, wenn man ein altes Fahrzeug abmeldet. Ob dieser Anreiz ausreicht, um wieder an die Verkaufszahlen von vor April 2017 anzuknüpfen, bleibt abzuwarten. Im Tesla-Showroom in der Queen’s Road East in Wan Chai hatten die Verkäufer nicht viel zu tun und entsprechend viel Zeit, um mir alle Vorzüge eines Model X zu erklären.
Zwei weitere Beobachtungen habe ich in Hong Kong bezüglich Tesla gemacht. Die Tesla-Limousinen haben sich so gut verkauft, dass es sogar einen Tesla-Airport-Transfer-Service gibt. Wer also nicht den hervorragenden Schnellzug ins Stadtzentrum nutzen will, kann sich für überschaubare 45 Euro in einem Tesla zum Hotel chauffieren lassen.
Als ich vor 4 Jahren zuletzt in Hong Kong war, hatte ich ein Foto von einer Volkswagen-Werkstatt gemacht. Ich musste lachen, als ich diesmal an der der 444-452 Des Voeux Road West in Sai Wan vorbeifuhr und sich in den Räumlichkeiten eine Tesla Service Station befand. Ist das schon Ausdruck eines Verdrängungswettbewerbs zulasten eines deutschen Autobauers?
Verdrängungswettbewerb: Aus einer VW-Werkstatt wird eine Tesla Service Station
Text und Fotos: Peter Elsner