Amazon (i)(AMZN) präsentiert erneut ein starkes Quartal, doch der Applaus bleibt verhalten. Die Zahlen stimmen, die Strategie ist ambitioniert und dennoch verliert die Aktie nachbörslich fast 7 % an Boden. Während der Einzelhandel Rekorde feiert und KI-Projekte von Alexa+ bis DeepFleet die Zukunft versprechen, stellt sich die eine Frage. Kann Amazon seine Vision in bare Münze verwandeln, oder verliert der Gigant zwischen Cloud-Druck und Zollrisiken an Strahlkraft? Die Herausforderungen bleiben groß.
Amazon – Ein Konzern im Wandel
Amazon ist längst mehr als nur ein Online-Händler. Während das E-Commerce-Geschäft weiter wächst und an seinem Konkurrenten Walmart beim Umsatz vorbeiziehen konnte, investiert der Konzern massiv in Zukunftstechnologien. Die Cloudsparte AWS bleibt trotz starker Konkurrenz durch Microsoft Azure und Google Cloud eine tragende Säule. In der Logistik sorgen über 1 Mio. Roboter und das KI-System DeepFleet für Effizienz, während der autonome Fahrdienst Zoox und das Satellitenprojekt Kuiper für den Aufbau einer eigenen Internetinfrastruktur neue Märkte erschließen. Amazon denkt langfristig, diversifiziert strategisch und positioniert sich als Technologieanbieter mit globalem Anspruch.
Zahlen für das 2. Quartal - Wachstum mit angezogener Handbremse
Das 2. Quartal 2025 fiel gemessen an den harten Zahlen stark aus und doch reichte es nicht, um die Börse zu begeistern. Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahr um 13 % auf 167,7 Mrd. USD, was die Erwartungen der Analysten von 162,1 Mrd. USD übertraf. Auch das Betriebsergebnis konnte mit 19,2 Mrd. USD glänzen, ein Anstieg von 31 %. Der Nettogewinn lag bei satten 18,2 Mrd. USD oder 1,68 USD pro Aktie – ebenfalls deutlich über dem Konsens von nur 1,33 USD. Die operative Marge in Nordamerika verbesserte sich von 5,6 auf 7,5 %, international von 0,9 auf 4,1 %, während AWS trotz Rückgang der Marge weiterhin über 10 Mrd. USD zum Betriebsergebnis beitrug. Trotz dieser Zahlen verlor die Aktie nachbörslich fast 7 % – ein deutliches Signal dafür, dass Investoren ihre Blickrichtung längst auf die Prognosen und Zukunft des Konzerns verlagert haben.
Prime Day und Einzelhandel - Ein Fest der Rekorde
Ein treibender Faktor des Wachstums im Quartal war der Einzelhandel – konkret der verlängerte und erweiterte Prime Day. Amazon sprach vom "größten Prime Day aller Zeiten". Mrd. von USD wurden umgesetzt, sowohl im eigenen Sortiment als auch bei unabhängigen Verkäufern. Die Kundenakzeptanz für neue Angebote wie frische Lebensmittel oder die Rückkehr von Marken wie Nike beflügelte die Nachfrage. In Nordamerika stieg der Umsatz auf über 100 Mrd. USD, ein Plus von 11 %. International konnte Amazon sogar um 16 % auf 36,8 Mrd. USD zulegen, wobei Wechselkursvorteile mitspielten. Besonders hervorzuheben ist die Reduktion um 12 % für die durchschnittliche Distanz, die Pakete zurücklegen mussten. Dies zahlt sich direkt auf die Margen aus. Die Investitionen in Same-Day-Delivery und lokale Verteilzentren zeigen Wirkung.
Das Wachstum von AWS reicht (noch) nicht aus
Mit einem Umsatzplus von 17,5 % auf 30,9 Mrd. USD hat AWS ein solides Wachstum hingelegt. Doch der Schein trügt ein wenig. Die operative Marge schrumpfte auf Quartalssicht von 39,5 auf 32,9 %, unter anderem wegen aktienbasierter Vergütungen und hoher Abschreibungen. Gleichzeitig wuchs die Konkurrenz schneller – Microsofts Azure legte um 39 % zu, Google Cloud um 32 %. Der Markt ist nervös, denn obwohl AWS nach wie vor das größte Geschäft seiner Art ist, scheinen die Wettbewerber im Rennen um KI-Infrastruktur mehr Momentum zu haben. Zwar investiert Amazon in neue Rechenzentren, KI-Chips wie Trainium2 und effiziente KI-Tools wie Bedrock AgentCore oder Kiro – aber die Lieferengpässe bei Strom und Hardware bremsen das tatsächliche Wachstum. CEO Andy Jassy räumte offen ein, dass man der Nachfrage noch nicht vollständig gerecht werde.
Technologie und Partnerschaften - KI als Wachstumsmotor
Trotz Börsenskepsis treibt Amazon seine Innovationsoffensive ungebremst voran. Ein ganzes Arsenal neuer KI-Tools von Shopping-Agenten bis zu programmierbaren Agenten für Entwickler. Alexa+ wurde auf Mio. Nutzer ausgeweitet, neue Sprachmodelle wie Nova Sonic verbessern das Kundenerlebnis. Das Robotersystem DeepFleet und der neu vorgestellte Roboter Vulcan steigern Effizienz und Automatisierung. Großkunden wie PepsiCo und SAP stärken AWS, während Partnerschaften mit Roku und Disney das Werbegeschäft beflügeln, das im Quartal um 22 % auf 15,7 Mrd. USD zulegte. Auch im Streaming greift Amazon an, mit NASCAR-Rechten und einem James-Bond-Film unter Denis Villeneuve.
Der Blick nach vorn - Zwischen Zuversicht und Vorsicht
Für das 3. Quartal erwartet Amazon einen Umsatz zwischen 174 und 179,5 Mrd. USD, was einem Wachstum von 10 bis 13 % entspricht. Das Betriebsergebnis soll zwischen 15,5 und 20,5 Mrd. USD liegen – im Mittel unter den Erwartungen der Analysten. Das Management bleibt optimistisch, verweist aber auf Risiken. Zölle, Lieferengpässe bei AWS und geopolitische Unsicherheiten könnten bremsend wirken. Gleichzeitig werden die Investitionen hoch bleiben. Allein im 2. Quartal investierte Amazon über 31 Mrd. USD. Die Cashflows sind unter Druck, doch Amazon setzt auf Skalierung und auf die disruptive Kraft von KI. Ob sich diese Strategie mittelfristig auszahlt, hängt auch davon ab, ob Amazon seine Infrastrukturprobleme in der Cloud schnell in den Griff bekommt.
Amazon besitzt eine starke Basis mit aktuell unsicherer Spitze
Amazon hat im 2. Quartal eindrucksvoll bewiesen, dass das Unternehmen weiterhin auf Wachstumskurs ist, operativ wie technologisch. Doch in einem Umfeld, das durch steigende Erwartungen, politische Unsicherheiten und zunehmenden Konkurrenzdruck geprägt ist, reichen starke Quartalszahlen allein nicht mehr aus. Die Investoren wollen wissen, wie schnell sich die milliardenschweren KI-Ausgaben auszahlen werden. Und sie wollen Antworten darauf, wie Amazon sein AWS-Wachstum wieder an die Spitze bringt. Amazon bleibt eine Macht, aber auch ein Konzern, der zunehmend unter kritischer Beobachtung steht.