Nach Vorlage der Q2-Zahlen sank der Aktienkurs von Hims & Hers am Montagabend, den 4. August, nachbörslich um rund 11 bis 13 %, obwohl das Ergebnis pro Aktie die Erwartungen leicht übertraf. Analysten zeigten sich insbesondere enttäuscht von der Umsatzprognose für Q3, während das bereinigte EBITDA über den Zielen lag.
Analysteneinschätzung zur Umsatzentwicklung
Die Quartalsumsätze von 544,8 Mio. USD lagen um etwa 1 % unter dem Konsens von rund 552 Mio. USD, was von Marktbeobachtern als verpasste Gelegenheit gewertet wurde. Trotz des starken Jahreswachstums von 73 % sei die Tatsache, dass das Management die Jahresprognose lediglich bestätigt und nicht erhöht habe, negativ aufgenommen worden.
Positives Echo zur Profitabilität, aber Sorgen beim GLP‑1-Geschäft
Der Gewinn je Aktie von 0,17 USD übertraf die Erwartungen um 0,02 USD und unterstreicht die operative Effizienz von Hims & Hers. Dennoch gab es deutliche Analystenbedenken beim wachstumsstarken GLP-1-Geschäft. Die Erlöse in diesem Segment fielen im Vergleich zum Vorquartal von 230 Mio. auf 190 Mio. USD – trotz anhaltend hoher Nachfrage. Die Umsatzprognose von 725 Mio. USD für das Gesamtjahr wurde lediglich bestätigt, nicht angehoben.
Ein wesentlicher Grund für den Rückgang liegt in einer regulatorisch bedingten Umstellung: Hims & Hers darf die beliebten personalisierten GLP‑1-Behandlungen nun nur noch über kleinere Apotheken (sogenannte 503A-Apotheken) vertreiben. Diese dürfen nur direkt auf ärztliche Verschreibung und für Einzelpersonen produzieren – im Gegensatz zu größeren 503B-Apotheken, die auf Vorrat herstellen dürfen. Dadurch sinkt der Umsatz pro Bestellung, da kleinere Mengen häufiger verschickt werden. Das Unternehmen rechnet jedoch mit einem Umsatzeffekt in späteren Quartalen, da sich die Bestellfrequenz nun erhöht.
Zusätzliche Skepsis äußerte Michael Cherny von Leerink Partners. Er wies darauf hin, dass der Beitrag der ZAVA-Übernahme zum Gesamtumsatz das Kerngeschäft weniger stark entlaste als erhofft – ein möglicher Hinweis darauf, dass das organische Wachstum außerhalb des GLP-1-Geschäfts nicht wie erwartet anzieht.
Internationale Expansion: Chancen und Risiken
Die Übernahme der britischen Telemedizinplattform ZAVA ist für Hims & Hers laut Unternehmensangaben ein entscheidender Schritt, um das erfolgreiche US-Modell in Schlüsselmärkten wie Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Irland und Kanada zu etablieren. CEO Andrew Dudum betonte, dass man mit ZAVA nicht einfach "in die Breite" gehe, sondern einen gezielten, skalierbaren Markteintritt in ausgewählten Regionen verfolge. Langfristig sehe man Milliardenpotenzial in nur wenigen Märkten.
Analysten würdigen diese Strategie als logisch und vielversprechend, warnen jedoch davor, dass die Expansion in stark regulierte, teils staatlich dominierte Gesundheitssysteme operativ komplex sei. Die Integration von ZAVA werde Ressourcen binden und stelle eine Ablenkung vom US-Kerngeschäft dar, das ohnehin mit GLP‑1-Rückgängen und Plattformumstellungen kämpft. Entscheidend sei laut Analysteneinschätzung, dass Hims & Hers die internationale Skalierung diszipliniert und nicht überhastet vorantreibe, um das Momentum im Heimatmarkt nicht zu gefährden.
Langfristige Perspektiven unter der Lupe
Trotz kurzfristiger Turbulenzen bleibt laut Analysten der langfristige Kurs positiv: Neue Einnahmequellen wie hormonelle Gesundheit, Labortests zu Hause sowie KI-gestützte Dienstleistungen könnten mittelfristig signifikanten Mehrwert schaffen. Der erwartete Umsatzanstieg auf 6,5 Mrd. USD bis 2030 wird allerdings nicht als sicher eingestuft – hohe Marktunsicherheit bei regulatorischen Bedingungen bleibe bestehen.
Plattformausbau: Von der Einzellösung zur Gesundheitsmitgliedschaft
Im Earnings Call unterstrich CEO Andrew Dudum die Vision einer Plattformtransformation, die weit über Einzeldiagnosen hinausgeht. Mit dem Einstieg in Labortests für zu Hause, einer eigene Bluttest-Infrastruktur und der geplanten Integration von Wearables will Hims & Hers künftig eine Mitgliedschaft anbieten, die Elemente personalisierter Vorsorge mit kontinuierlicher Betreuung vereint. Dudum sprach explizit von einem "Costco- oder Amazon-ähnlichen Gesundheitsmodell", das langfristig skalierbar sei – sowohl national als auch international.
Chief Technology Officer Mo Elshenawy stellte zudem die technische Zukunftsstrategie vor: Eine KI-gesteuerte Plattform mit individuellen Gesundheitsagenten, die rund um die Uhr Patienten begleiten – sei es bei Ernährung, Nebenwirkungsmanagement oder mentaler Gesundheit. Diese Technologiebausteine sollen mittelfristig die Kundenbindung, Personalisierung und Margenstabilität signifikant verbessern.
Fazit: Wachstum mit Herausforderungen
Analysten loben den operativen Gewinnanstieg, sehen jedoch die Wachstumsstory im US-Kernmarkt unter stärkerem Druck – insbesondere durch Regulierungen rund um das GLP‑1-Geschäft. Die Aktie bleibt volatil: Kurzfristig belastet der Umsatzverfehlung und die konservative Guidance die Bewertung. Mittel- bis langfristig hängt der Erfolg von der gelungenen Internationalisierung und der Diversifikation der Produktpalette ab.