Obwohl Unternehmen und Investoren im Bereich Quantencomputer ihre Erwartungen dämpfen, ist ein Analyst von Benchmark überzeugt, dass IonQ der Kommerzialisierung seiner Technologie näher ist als der breite Markt erwartet.
Frisches Kapital und ein kühnes Kursziel
Am 07.07.2025 vor Börsenbeginn gab IonQ die Preisgestaltung einer Aktienemission im Wert von 1 Mrd. USD bekannt. Der Preis von 55,49 USD pro Aktie entsprach einem Aufschlag von 25 % auf den Schlusskurs vom Donnerstag. Der Nettoerlös von 978,5 Mio. USD aus dieser Emission wird IonQs Pro-forma-Barmittelbestand auf rund 1,68 Mrd. USD erhöhen. Dies soll das Wachstum des Unternehmens bis zur Kommerzialisierung vorantreiben.
Noch am selben Tag bestätigte Benchmark-Analyst David Williams seine Kaufempfehlung für die Aktie und erhöhte sein Kursziel von 50 auf 55 USD. Diese Anpassung erfolgte nach einem vertraulichen Gespräch von Benchmark mit Mitgliedern des Managements, darunter IonQ-CEO Niccolo de Masi. De Masis Aussage, IonQ werde "das Nvidia des Quantencomputings" werden, ließ die Aktie am 22.05.2025 explodieren.
Die doppelte Helix: Computing und Quanten-Vernetzung
Williams teilt de Masis Begeisterung bezüglich IonQs Aussichten, sich in einem zunehmend umkämpften Markt zu etablieren. Er betont, IonQ positioniere sich "als führendes Unternehmen sowohl im Quantencomputing als auch im zunehmend kritischen Bereich der Quantennetzwerke".
Quantennetzwerke verbinden mehrere Quantenprozessoren, um deren Rechenleistung effektiv zu bündeln. Dieser Ansatz soll die Einschränkungen einzelner Maschinen, wie zum Beispiel Leistungseinbußen durch Umgebungsstörungen, überwinden, indem Arbeitslasten über ein Netzwerk verteilt werden. IonQ betrachtet Computing und Netzwerke als "symbiotisch", so Williams. Das Unternehmen strebt danach, "End-to-End-Quantenlösungen anzubieten, die ein breiteres Spektrum an Kundenbedürfnissen abdecken".
Mehr als nur Hardware: Das Ökosystem der Zukunft
Neben dem dualen Ansatz des Unternehmens in den Bereichen Computing und Netzwerke verteilt sich der Umsatz auf Hardwareverkäufe, Quantencomputing als Dienstleistung und Anwendungen. Obwohl die Anwendungsentwicklung derzeit nur einen kleinen Teil des Gesamtumsatzes ausmacht, "gilt sie als der wichtigste langfristige Werttreiber", so Williams. "Die Strategie konzentriert sich darauf, Kunden mit Computing- oder Netzwerklösungen zu gewinnen und die Geschäftsbeziehung anschließend zu einem nachhaltigen Ökosystem auszubauen."
De Masi selbst argumentiert, dass die Vernetzung ein praktikablerer Ansatz für den Bau größerer Quantencomputer sei, als einfach nur Qubits hinzuzufügen (Qubits dienen als grundlegende Informationseinheiten in einem System). "Wenn man einfach einen besseren Weg wählt, braucht man nicht viele Qubits, um sinnvolle Arbeit zu leisten. Wir skalieren durch Quantennetzwerke", sagte der CEO gegenüber Barron’s.
Das Endziel des Unternehmens ist der Aufbau eines sogenannten Quanteninternets, wobei die Computer als primäre Knotenpunkte fungieren. Williams ist überzeugt, dass IonQ "das kommerziellste Geschäftsmodell und die differenzierteste Markteinführungsstrategie unter den Wettbewerbern" habe. Dies werde dem Unternehmen bei der Weiterentwicklung der Quantencomputerbranche zugutekommen.
Die Roadmap der Quanten-Revolution
Die Entwicklung größerer Quantenmaschinen hat sich branchenweit als Herausforderung erwiesen. Je mehr Qubits einem System hinzugefügt werden, desto höher ist generell die Fehlerwahrscheinlichkeit. IBM geht dieses Problem direkt an und entwickelt ein integriertes Fehlerkorrektursystem. Der erste fehlertolerante Quanten-Supercomputer wird bis 2029 erwartet.
IonQ strebt eine schrittweise Skalierung von 256 physischen Qubits im Jahr 2026 auf 2 Millionen physische Qubits und 80.000 logische Qubits bis zum Ende des Jahrzehnts an. Williams betonte, das Management sei von seiner technischen Roadmap überzeugt, "die sich ihrer Ansicht nach deutlich von der der Konkurrenz abhebt".
Vom Labor zum Durchbruch: Wissenschaftliche Meilensteine
Das Unternehmen hat bereits einige wissenschaftliche Meilensteine erreicht. Dazu gehören Durchbrüche in der Proteinfaltung und der Teilchenphysik, letztere in Zusammenarbeit mit dem US-Verteidigungsministerium. Letzten Monat gab das Unternehmen bekannt, im Rahmen einer Zusammenarbeit mit AstraZeneca, Amazon Web Services und Nvidia eine deutliche Beschleunigung eines Problems der Arzneimittelforschung erreicht zu haben. Ergebnisse wie diese dienen als "Bestätigung der Fähigkeit der Quantentechnologie, bedeutende Vorteile gegenüber fehlertoleranten Systemen zu bieten", so Williams.
In einer separaten Mitteilung vom Montag bekräftigte Troy Jensen, Analyst bei Cantor Fitzgerald, die Einstufung "Übergewichten" und das Kursziel von 45 USD für die Aktie. Jensen räumte ein, dass sich IonQ "in der Anfangsphase der Kommerzialisierung seiner Technologie" befinde. Dennoch glaubt er, dass das Unternehmen bis 2035 20 % des Marktes für Quanten-Hardware, -Dienste und -Software erobern kann.