Der chinesische Markt für Hochleistungs-Chips gilt als Goldgrube und als geopolitisches Minenfeld. Nvidia (NVDA) und AMD (AMD) wollen ihn trotz harter US-Exportauflagen nicht kampflos aufgeben. In einem bislang beispiellosen Deal sichern sich beide Konzerne Exportlizenzen, indem sie 15 % ihrer China-Umsätze an die US-Regierung abtreten. Doch kaum ist der Handel perfekt, schießen Pekings Staatsmedien scharf. Vorwürfe über "Kill Switches" und angebliche Sicherheitsrisiken bringen zusätzliche Brisanz in einen Konflikt, der längst weit über die Chipindustrie hinausreicht.
Der chinesische Chipmarkt – Riesiges Potenzial und hohe Abhängigkeit
China ist einer der weltweit größten Märkte für Halbleiter und insbesondere für Hochleistungs-Chips, die in Künstlicher Intelligenz, Cloud-Computing und Supercomputing eingesetzt werden. Trotz staatlicher Investitionsprogramme bleibt das Land in vielen Bereichen auf ausländische Spitzentechnologie angewiesen. Für US-Unternehmen wie Nvidia und AMD ist China deshalb ein Schlüsselabsatzmarkt, auch wenn strikte US-Exportkontrollen den Zugang erschweren. Nvidia hat für den chinesischen Markt den H20-Chip entwickelt, eine angepasste, im Vergleich zu den Flaggschiff-Modellen H100 und B100 abgespeckte Version, um unter den von der Biden-Regierung eingeführten Exportrestriktionen zu bleiben. Auch AMD verfolgt eine ähnliche Strategie mit dem MI308-Chip, der gezielt für den chinesischen Markt positioniert ist. Beide Produkte zielen darauf ab, den massiven KI-Bedarf in China zu bedienen, ohne gegen US-Vorschriften zu verstoßen.
Die Financial-Times-Enthüllung – 15 % Umsatzbeteiligung für Exportlizenzen
Laut einem Bericht der Financial Times haben sich Nvidia und AMD auf eine beispiellose Vereinbarung mit der US-Regierung eingelassen. Sie geben 15 % ihrer Einnahmen aus den Verkäufen von H20- bzw. MI308-Chips in China an Washington ab, um im Gegenzug Exportlizenzen zu erhalten. Diese Abmachung, die nach einem Treffen von Nvidia-CEO Jensen Huang mit Präsident Donald Trump zustande kam, ist in der US-Exportgeschichte ungewöhnlich. Experten zufolge hat bisher noch kein Unternehmen eine direkte Umsatzbeteiligung als Bedingung für Exportfreigaben akzeptiert. Für Nvidia geht es um Mrd. USD. Analysten schätzen den potenziellen Jahresumsatz des H20 in China auf rund 23 Mrd. USD. Die Vereinbarung verdeutlicht, dass das Weiße Haus bereit ist, Exportkontrollen auch als handelspolitisches Druckmittel einzusetzen, während gleichzeitig ein 100%iger Zoll auf importierte Halbleiter droht, falls diese nicht in den USA produziert werden.
Chinesische Vorwürfe – "Kill Switch" und Sicherheitsbedenken
Kurz nach der Wiederaufnahme der H20-Lieferungen tauchten in chinesischen Staatsmedien schwere Vorwürfe auf. Ein mit dem staatlichen Sender CCTV verbundener WeChat-Account behauptete, die Chips seien weder technologisch fortschrittlich noch umweltfreundlich und könnten über eine Hardware "Hintertür" aus der Ferne deaktiviert werden – ein sogenannter "Kill Switch". Die Cyberspace-Aufsichtsbehörde in Peking lud Nvidia ein, um diese möglichen Sicherheitsrisiken zu erörtern, während regierungsnahe Medien die Chips zugleich als minderwertig darstellten. Solche Vorwürfe fallen in eine Zeit wachsender politischer Spannungen um Halbleiterexporte und könnten auch darauf abzielen, Chinas Verhandlungsposition in den laufenden Handelsgesprächen zu stärken.
Nvidias Dementi – Keine "Hintertüren" in den Chips vorhanden
Nvidia wies die Anschuldigungen entschieden zurück. Ein Unternehmenssprecher erklärte, es gebe in keinem Nvidia-Chip "Hintertüren", die einen unbefugten Fernzugriff oder eine Fernabschaltung ermöglichen würden. Cybersicherheit habe für das Unternehmen höchste Priorität, und die H20-Chips seien sicher sowie konform mit allen geltenden Vorschriften. Nvidia betonte zudem, dass der Chip trotz reduzierter Leistung weiterhin ein wichtiger Baustein für Chinas KI-Infrastruktur sei, ohne US-Exportregeln zu verletzen.
Wenn Chips zum Teil der Verhandlungsmasse werden
Die Ereignisse um Nvidias H20 und AMDs MI308 zeigen, wie eng Technologie, Handelspolitik und geopolitische Interessen inzwischen miteinander verwoben sind. Während der chinesische Markt für US-Chiphersteller enorme Umsatzchancen bietet, stehen Exportlizenzen zunehmend im Zentrum harter politischer Aushandlungsprozesse. Die 15 %-Vereinbarung markiert einen Präzedenzfall, der künftige Geschäftsmodelle im Hochtechnologiesektor nachhaltig beeinflussen könnte. Gleichzeitig verdeutlichen die chinesischen Sicherheitsvorwürfe und Nvidias energisches Dementi, dass technologische Rivalität längst nicht nur in den Laboren, sondern auch auf der Bühne geopolitischer Kommunikation ausgetragen wird.