Meine Einschätzung zur Tesla-Aktie im GROWTH-Magazin vom 29.04.25 ("Wie Elon Musk das Comeback schaffen will") hat sich inzwischen bestätigt – entgegen der weiterhin negativen Schlagzeilen.Â
Heute wurde gemeldet, dass Teslas Neuzulassungen in Europa im April um 49 % gegenüber dem Vorjahr zurückgingen. Dennoch hat sich der Kurs seit dem Tief vor einem Monat um mehr als 50 % erholt.Â
Der Beitrag auf finanzen.net ("Pessimistische Prognose: Tesla-Aktie unter Druck: Analyst sieht für Tesla erst mal schwarz") zeichnet ein besonders düsteres Bild – doch der Markt bewertet offensichtlich nicht nur Schlagzeilen, sondern auch strategische Perspektiven.Â
Einordnung jenseits der QuartalszahlenÂ
Der Beitrag benennt reale Herausforderungen – doch die Schlussfolgerung eines strukturellen Bedeutungsverlusts greift zu kurz. Tesla befindet sich nicht im Rückzug, sondern inmitten einer gezielten Transformation. Wer nur auf Quartalszahlen blickt, übersieht das strategische Gesamtbild.Â
Â
Musk als Systemdenker: Vision statt StückwerkÂ
Elon Musk wird oft kritisiert, weil er viele Projekte gleichzeitig verfolgt. Doch genau darin liegt seine Stärke. Statt sich auf Einzelprodukte zu konzentrieren, denkt Musk in Systemen: Bei Tesla, SpaceX, X oder OpenAI geht es darum, bestehende Märkte neu zu definieren und technologische Plattformen zu schaffen.Â
Seine Übernahme von Twitter 2022 wurde vielfach als Chaosaktion abgetan. Tatsächlich übernahm Musk damit eine der reichweitenstärksten Daten- und Meinungsplattformen – ein strategischer Schritt mit Blick auf Vernetzung und Reichweite. Ähnlich verhält es sich mit seinem aktuellen Fokus: Weniger Tagespolitik, mehr Konzentration auf die nächste Phase bei Tesla.Â
Â
Tesla entwickelt sich zur PlattformÂ
Tesla steht an der Schwelle zu einem neuen Kapitel. Das Unternehmen will nicht mehr nur Fahrzeuge bauen, sondern ein integriertes System für urbane Mobilität und Energiemanagement schaffen – bestehend aus selbstfahrenden Robotaxis, humanoiden Robotern und skalierbarer Stromspeicherung.Â
Viele dieser Bausteine sind weit entwickelt: Prototypen sind in der Erprobung, einzelne Komponenten serienreif. Musk greift stärker ins operative Geschäft ein – nicht zufällig, sondern als gezielter Startschuss für die nächste Phase.Â
Â
Übergang statt Rückzug: Tesla im StrukturwandelÂ
Tesla befindet sich nicht in einer Abwärtsspirale, sondern in einer strategisch gesteuerten Übergangsphase. Der Rückgang der Auslieferungen auf 337.000 Fahrzeuge im Q1/2025 – unter der Erwartung von 380.000 – ist kein Indikator für nachlassende Nachfrage. Vielmehr beruhte der Rückgang auf der bewussten Pausierung der Model-Y-Produktion im Zuge von Werksumbauten. Die Zahl an Testfahrten erreichte im selben Zeitraum neue Rekordstände und belegt das anhaltende Interesse.Â
In Europa leidet Tesla derzeit unter einem spürbaren Imageschaden, doch in den USA bleibt das Unternehmen klarer Marktführer. Die oft zitierte Überlegenheit chinesischer Hersteller wie BYD wird im Artikel überspitzt dargestellt. Trotz zahlreicher günstiger Konkurrenzprodukte bleibt Tesla in China eine der drei meistverkauften Elektroauto-Marken – ein bemerkenswerter Erfolg in einem hochkompetitiven Markt. Elon Musk gilt dabei nicht wenigen chinesischen Unternehmen als technologische und strategische Referenz. Â
In Europa und Nordamerika hingegen sind chinesische Anbieter weiterhin mit regulatorischen Hürden und begrenzter Kundenakzeptanz konfrontiert. Tesla begegnet diesem Wettbewerb nicht mit hektischer Reaktion, sondern mit strategisch getimtem Eintritt ins günstige Preissegment – basierend auf Produktionsreife und Skalierungsvorteilen. Â
Mit der für Mitte 2025 geplanten Einführung eines neuen, günstigeren Modells auf Basis einer skalierbaren Plattform greift Tesla gezielt in das preissensitive Segment ein, das bislang von Anbietern wie BYD dominiert wird. Dabei handelt es sich nicht um ein abgespecktes Modell, sondern um ein vollwertiges Fahrzeug auf Basis einer neuen Produktionsarchitektur, dem sogenannten "Unboxed Process". Diese Methode verspricht durch modulare Fertigung eine deutlich höhere Effizienz und geringere Herstellungskosten.Â
Â
Autonomes Fahren und Robotik: Substanz statt Sci-FiÂ
Auch die Kritik an Teslas autonomen Fahrfunktionen ignoriert wesentliche Fakten: Tesla ist derzeit das einzige US-Unternehmen, das serienreife Fahrzeuge mit einer generalisierten KI-basierten Fahrsoftware im öffentlichen Straßenverkehr testet und das im großflächigen Echtbetrieb. Im Gegensatz dazu setzen Wettbewerber wie Waymo auf geofencinggebundene Speziallösungen, die nur in klar begrenzten Gebieten funktionieren. Teslas Ansatz ist hingegen skalierbar, lernfähig und wird kontinuierlich durch Milliarden realer Fahrkilometer optimiert. Das gilt auch für den humanoiden Roboter "Optimus", der bereits im internen Einsatz ist. Kein anderer Autohersteller betreibt aktuell ein vergleichbares Netzwerk an lernenden Fahrzeugen im Alltag – weder technologisch noch im operativen Maßstab.Â
Â
Energiesegment mit MilliardenpotenzialÂ
Während sich viele Analysten weiterhin auf Teslas Autogeschäft konzentrieren, wächst im Hintergrund ein Geschäftsbereich mit enormem Potenzial: das Megapack-Segment. Im Q1/2025 lieferte Tesla beeindruckende 10,4 GWh Speicherkapazität aus – ein Plus von 154 % gegenüber dem Vorjahr. Noch bemerkenswerter ist die Bruttomarge von 29 %, die deutlich über der des Fahrzeugbereichs liegt. In einem Umfeld wachsender Preissensitivität und sinkender Margen im Automobilmarkt erweist sich Tesla Energy als stabile, margenstarke Alternative.Â
Ein zentraler Erfolgsfaktor ist Teslas konsequente vertikale Integration: Von der Batteriechemie über Wechselrichter und Steuerungssoftware bis hin zur eigenen Gigafactory für Megapacks – nahezu die gesamte Wertschöpfungskette liegt in der Hand des Unternehmens. Das schafft Effizienz, Kontrolle und Skalierbarkeit – und verschafft Tesla im globalen Wettbewerb einen operativen Vorsprung, den nur wenige Anbieter auch nur ansatzweise erreichen.Â
Die Konkurrenz hat damit zu kämpfen: Fluence, ein Joint Venture von Siemens und AES, bleibt trotz prominenter Rückendeckung hinter den Erwartungen zurück. CATL, der chinesische Zellriese, ist zwar technologisch stark, aber im Systemgeschäft noch am Anfang. Tesla hingegen liefert bereits im großen Maßstab aus und ist bei zentralen Energieprojekten weltweit vertreten – von Kalifornien bis Australien.Â
Der Markt selbst wächst dynamisch: Mit dem weltweiten Ausbau erneuerbarer Energien und dem steigenden Energiebedarf durch KI-Rechenzentren, Elektromobilität und Netzstabilisierung steigt die Nachfrage nach stationären Großspeichern rasant. Branchenanalysten erwarten, dass sich der jährliche Speicherbedarf in Richtung Terawattstunden entwickelt. Bei einer Megapack-Auslieferung von 1 TWh, dem mittelfristigen Ziel von Musk, käme Tesla auf ein potenzielles Umsatzvolumen von über 250 Mrd. USD jährlich – mit attraktivem Margenprofil. Tesla Energy ist damit kein Nebenschauplatz, sondern ein strategisches Kerngeschäft mit bislang unterschätztem Potenzial.Â
Â
Fazit: Wer nur auf Quartale schaut, verpasst das große GanzeÂ
Tesla irritiert viele Beobachter – weil der Konzern sich konsequent außerhalb klassischer Erwartungen bewegt. Sinkende Auslieferungen, Imageprobleme in Europa, starker Wettbewerb – all das ist real. Und doch ist Tesla strategisch besser aufgestellt, als es viele wahrhaben wollen.
Rückgänge bei den Auslieferungen und wachsender Konkurrenzdruck sind kein Zeichen des Scheiterns, sondern Begleiterscheinungen eines gezielten Wandels. Die Börse beginnt, genau das zu reflektieren: Eine Kurssteigerung von über 50 % in nur einem Monat zeigt, dass Investoren langfristige Perspektiven höher bewerten als kurzfristige Rückschläge. Die Bewertung folgt nicht den Schlagzeilen, sondern der Architektur.