Vom Q2-Update von The Trade Desk hatten sich Anleger den Startschuss für eine neue Wachstumsphase erhofft. Geliefert wurden solide Ergebnisse – und ein Ausblick, der eher nach Vorsicht klingt. In einem Markt, der hohe Erwartungen längst eingepreist hat, reicht das für einen After-Hours-Einbruch von rund 25 %.
Im 2. Quartal kletterte der Umsatz um 19 % auf 694 Mio. USD, das bereinigte EBITDA lag bei 271 Mio. USD – eine beeindruckende Marge von 39 %. Wachstumstreiber blieben Connected TV (CTV) und Retail Media, während Display- und Audio-Werbung nur Nebenrollen spielten.
An der Börse aber verpuffte die Wirkung dieser Zahlen. Der Hauptgrund für den Absturz: Die Latte hing deutlich höher – vor allem in Form sogenannter "Whisper"-Erwartungen, die jenseits der offiziellen Analystenschätzungen kursierten.
Guidance trifft auf Hochspannung
Für das 3. Quartal stellt CEO Jeff Green "mindestens" 717 Mio. USD Umsatz in Aussicht. Das entspricht einem Zuwachs von 14 %, bereinigt um politische Werbeausgaben rund 18 %. Operativ solide, aber nach einem Kursanstieg von über 50 % seit Jahresbeginn schlicht zu wenig, um die Rally zu rechtfertigen.
Hinzu kommt: Das Wachstum verlangsamt sich leicht gegenüber den Vorquartalen und der EBITDA-Ausblick (277 Mio. USD) liegt exakt auf Konsens. Für viele Investoren wirkt das nicht wie der Startschuss zu einer beschleunigten Wachstumsphase, sondern eher wie ein Status quo.
CFO-Wechsel und Governance-Debatte als Nebenbaustellen
Zeitgleich mit den Zahlen kündigte The Trade Desk den Abschied von CFO Laura Schenkein an. Ihr Nachfolger, Board-Mitglied Alex Kayyal, kennt das Unternehmen zwar seit Jahren, doch CFO-Transitions direkt nach einem "nur" durchwachsenen Ausblick gelten als klassischer Risikofaktor.
Zusätzlich sorgt die geplante Verlängerung der Dual-Class-Aktienstruktur für Diskussionen. Das Management sieht darin einen "Langfrist-Nordstern", der langfristiges Denken sichern soll. Kritiker im Markt sehen dagegen eine Schwächung der Aktionärsrechte. In Phasen schwächerer Wachstumsimpulse kann so ein Governance-Thema schneller zum Kurshemmnis werden.
Wettbewerbsdruck im CTV-Markt
Inhaltlich blieb Green bei seiner Kernbotschaft: Walled Gardens wie Google, Meta oder Amazon könnten das offene Internet nicht objektiv bedienen, da sie eigenes Inventar priorisieren müssten. Zugleich berichtete er, Amazon habe die Werbeinventare bei Prime Video deutlich ausgeweitet – ein Hinweis, dass der Wettbewerb im CTV-Umfeld kurzfristig intensiver wird. Für Anleger klingt das wie ein weiterer Grund, kurzfristige Euphorie zu zügeln.
Die Story bleibt – jetzt zählt der Beweis
Technologisch ist The Trade Desk hervorragend positioniert: Die KI-Plattform Kokai steigert Kampagnenergebnisse laut Kunden teils um über 20 %, OpenPath und OpenSincera bringen eine nie dagewesene Transparenz in die digitale Werbelieferkette, und Deal Desk verspricht, schwächelnde Private Deals mit KI wieder auf Kurs zu bringen. Die jüngsten Partnerschaften mit Instacart und Ocado liefern zudem exklusive Retail-Daten, die den Werbeerfolg messbar machen.
Doch an der Börse reicht Potenzial allein nicht – es muss sich schnell in harten Zahlen niederschlagen. Anleger wollen sehen, dass diese Innovationen nicht nur "nice to have" sind, sondern kurzfristig mehr Umsatz und höhere Margen bringen. Bleibt dieser Beweis aus, werden selbst kleine Enttäuschungen – wie eine zurückhaltende Guidance oder der zeitgleiche CFO-Wechsel – sofort zu Kursbremsen. In diesem Umfeld kann auch die Debatte um die Verlängerung der Dual-Class-Struktur zusätzlichen Druck erzeugen.
Fazit:
The Trade Desk hat die Technologie, die Partner und die Marktposition, um langfristig vom Shift zu CTV, Retail Media und einem transparenten offenen Internet zu profitieren. Kurzfristig aber trifft hohe Bewertung auf ausbleibende Beschleunigung – eine Mischung, die im aktuellen Börsenklima gnadenlos abgestraft wird. Für Anleger mit langem Atem könnte der Rückschlag jedoch eine Gelegenheit sein, die Position in einem strukturellen Gewinner der Werbebranche auszubauen.